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ERNEUTER TRANSPORT.

Das Elend des Schubes begann wiederum von neuem, von Bert nun schon so oft erlitten: verwahrloste Zellen, speckig- fleckige Strohsäcke als Lager mit noch verdächtigeren Decken, eine Luft voll Muffigkeit und Trübsal, allerkläglichste Verpflegung und vielfach Va­gabunden zur Gesellschaft, die skrupellos Gelegenheit zur billigen Bereicherung suchten.

Zuerst ging es wieder nach Salzburg , der lieblichen Stadt Mozartscher Musik. Eine große Fülle von Ge­fangenen umfaßte der Transport, darunter Fremdlinge aus allen Ecken der Welt:; griechische Offiziere neben chinesischen Händlern, ein südamerikanischer Konsul, von der Gestapo insgeheim verschleppt, neben ver­schiedenen Schwarzen, daß man glauben konnte, das Dasein als Gefangener wäre bald die reguläre Form des Lebens in Europa .

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Ein alter, soignierter Herr neben Bert flüsterte ihm zu, als ihr endloser Zug über die Bahnhofsanlagen und Ge­leise stolperte: ,, Da haben Sie den regen Fremden­verkehr, auf den Salzburg immer so stolz ist, nur seit der Naziherrschaft weniger den hohen Künsten zu­gewandt, finde ich aber wer wäre von Preußen etwas anderes gewöhnt? C'est bien la pire peine de ne pas savoir pourquoi!" schloß er mit Verlaines berühmtem Verse ,, es ist wohl das ärgste Leid, nicht zu wissen

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warum.

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Dennoch erwartete die Männer noch eine sympathi­sche Überraschung. An Stelle der Käfigwagen, die für die Menge an Gefangenen kaum ausgereicht hätten, standen normale Waggons dritter Klasse zur Verfügung­und in dem Wagen, den Bert zugewiesen bekam, saẞ bereits eine Fülle junger Mädchen und Frauen aus Wien , bildhübsche Erscheinungen darunter, sämtlich in dunkel­blauer Leinentracht mit hellblauer Schürze, sauber und adrett gekleidet: Zuchthäuslerinnen aus Aichach im Oberbayerischen , die zu einer Zeugenvernehmung für ein paar Tage in ihre Wiener Heimat überführt worden