-

- 508-

IM GRAUEN HAUSE.

Als er später von seiner Vernehmung beim Richter zurückkam, wich bei ruhiger Überlegung auch die herbe Enttäuschung über diesen Vorgang von ihm, die ihn anfänglich gepackt hatte.... Denn, sagte er sich, was ist unter Hitlers Diktatur vom Richterstand noch ver­blieben? Nicht nur ein Angeklagter ist seiner ver­brieften Rechtsmittel de facto beraubt; auch der Richter ist nichts mehr als ein beklagenswertes und willenloses Werkzeug in der Hand politischer Drahtzieher geworden, deren Machtwille turmhoch über jedem Rechte steht. Je heuchlerischer die Parteiposaunen verkündeten, daß der Richter unbekümmert um den Buchstaben des Gesetzes das Recht nach seinem Ermessen zu finden habe, desto kläglicher, desto abhängiger ist die Lage der Justiz geworden wie eben bei Nazibehaup­tungen stets an die Stelle des, Plus'- ein, Minus'- Zeichen gesetzt werden muß, will man der Wahrheit nahe­kommen.

-

Und gelangte ein Gerichtshof, dem die Gestapo einen Angeschuldigten zugeführt hatte, wirklich einmal zum Freispruch wegen seiner unverkennbaren Schuldlosig­keit, so wurde der Betreffende zwar aus der Gerichtshaft entlassen, aber deswegen beileibe noch nicht frei.... So schöne Szenen, wie sie uns von großen Romanciers gern geschildert werden: daß der Freigesprochene unter dem Jubel des Publikums die Marmortreppe eines Justiz­palastes herabschreitet und seine beglückten An­gehörigen in die Arme schließt; also die Unschuld den Triumph feiert, der ihr zu gönnen ist- solch menschlich erhebende Szenen kannte die Hitlerei nur in den selten­sten Fällen. Denn nach seiner Absolution durch das er­kennende Gericht verfiel der Angeklagte sofort wieder der Gestapo , an die ihn die Justiz zurückstellen mußte- und sie rächte sich natürlich für die erlittene Schlappe dadurch, daß sie ihrem Opfer nun erst recht bewies, wer im Dritten Reich der Herr sei: sie ließ den Ärmsten entweder ohne jeden Bescheid uferlos in einer Zelle