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So schritten sie aus wie ein Liebespaar, das sich verspätet hat und nun mit Eile nach Hause strebt. Rings um sie stieg und senkte sich der Nebel. Das Sternenbild des nachtschwarzen Himmels wurde zu Zeiten sichtbar. Rückwärts, wo am fernen Horizont das Lager liegen mußte, hingen tiefe, geballte Schneewolken... Der Fußweg neben der Fahrbahn war genau so menschenleer wie die Straße selbst, an sich freilich gefährlich, weil jeder einzelne Passant einer Patrouille auffallen mußte. Doch die Landschaft schien wie die Widersacher zu schlummern. Die Stille des Friedens herrschte.
Allmählich, nach annähernd dreieinhalb Stunden des Marsches, dessen Mühen weder sie noch er gespürt hatten, werden Lichter vor ihnen sichtbar. Der Stadtrand von München nimmt sie auf. Die Gartenhäuser zu beiden Seiten der Straße mehren sich, Schein auf Schein glimmt durch die nächtliche Dunkelheit, flutet heran, von Menschen begleitet, die zu Rad, zu Wagen, mit Karren, in Omnibussen schon unterwegs sind, um ihr Tageswerk zu beginnen.
Nun tauchen sie unter, die Marschierenden, in das Häusermeer, das den Himmel einzuengen beginnt. Sie pilgern weiter, dem Stadtkern zu. Sie bergen sich schließlich in der Nähe der Kasernen der Dachauer Straße in einer Gastwirtschaft, die schon lebhaften Frühverkehr aufweist. Tisch und Stühle sind mehr als derb, das Passantenpublikum nicht minder.
Iřina verlangt für beide einen heißen Kaffee, will sagen: das, was man in Deutschland eben Kaffee nennt. Bert hätte lieber etwas Kräftigendes eingenommen, aber er fügt sich und sitzt still neben ihr in einer schattenreichen Ecke. Dank der schwachen Beleuchtung liegt eine Art Halbdämmerung über dem Raume. So erwartet er geborgen hier die Morgenhelle. Und weiß doch, ohne es laut werden zu lassen: dort draußen in der Menschenleere der Nacht, dort war die Stunde des Glücks für ihn gewesen, als sie durch die Zone der Gefahr geschritten waren.
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