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spannung, mit der bestimmte Drähte ständig geladen

waren.

Also war man hier der SS. auf Gnade und Ungnade aus­geliefert, erkannte Bert. Und während jede Haft- oder Strafanstalt der Welt ihren Gefangenen genau fest­gelegte Anrechte gewährt, die ihnen jederzeit zustehen, fehlt dergleichen im Lager vollkommen. Der Häftling hat nicht einmal die Gewißheit des leibeigenen Sklaven, daß er für seinen Herrn immerhin einen Vermögenswert darstelle, den er schonen muß, wenn er klug ist.... Sich beispielsweise über den Block- oder Stubenältesten zu beschweren, käme schon ausgesprochenem Selbst­morde gleich, obwohl jene ebenfalls Häftlinge sind. Und wieviele haben sich im Kz nächtlicherweise auf­gehangen die im Lager beliebteste und jederzeit geduldete Art des Freitodes um den pausenlosen Quälereien dieser vorgesetzten Mithäftlinge zu entgehen. Denn die Härte ihres eigenen Loses hat dem langjährigen Insassen des Lagers zwangsläufig Kopf und Herz eben­falls hart gemacht; wozu noch zu beachten ist, daß der mangelnde Geschlechtsverkehr sie auch zu Gefangenen ihrer Lüste macht.... So manches hier erinnert Bert an die packenden Schilderungen, die er einst als Bub mit Gruseln gelesen hatte: die unsterbliche, gute, Onkel Toms Hütte'.

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Hinsichtlich seines, Feldwebels' hat Bert es ausge­zeichnet getroffen. Es ist ein Nürnberger Zigarrendreher, namens Leo Eichmüller, der sich schon 62 Jahre im Kz befindet, Kommunist seiner politischen Überzeugung nach, der aber hier drinnen wie draußen als prächtiger, auf­rechter Mensch mit breiter Brust und Unbekümmertheit dahinlebt. Sein Wahlspruch, den er dem Neuen gleich anvertraut, lautet:, Vernunft, Geduld und Zeit, machen möglich die Unmöglichkeit'. Mit ihm kommt Bert schon vom ersten Tage an in ein vertrautes Verhältnis.

Am nächsten Tage begegnet ihm Franzl wieder und fragt sofort, was ihm im Lager nun am meisten auf­gefallen sei, das würde ihn interessieren. In einen Satz gefaßt, bringt Bert seinen Eindruck zu Worte: ,, Am