Lagerereignisse und alle Verbrechen, an die ich mich erinnerte, nieder und übergab sie Couri.
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In den erregten Tagen des Wartens setzte im ,, Industriehof" wieder, wie schon so oft, der Strom aus. Sonst mußten die Frauen im Betrieb bleiben und oft stundenlang sitzen, bis die Stromstörung behoben war, diesmal aber trat Graf aus dem Dienstzimmer und rief: ,, Macht, daß ihr auf die Blocks kommt!" Mit einem Jubelschrei stürzten die Frauen aus den Betrieben. Jeder ahnte, jetzt war es endgültig vorbei mit der Sklavenarbeit in Ravensbrück . Nach einigen Tagen Freizeit kehrten auch die Häftlinge von Siemens ins alte Lager zurück, und wir feierten Wiedersehen mit unseren Freundinnen Lotte und Maria. Jetzt hatten wir so unendlich viel Zeit. Wir sangen und rauchten die von der SS zurückgestohlenen Zigaretten aus den Rote- Kreuz- Paketen, und das Lager war von Hoffnung auf Freiheit erfüllt.
Es kam ein Sonnabend im März, als man alle Norwegerinnen mit Sachen nach ,, vorn" beorderte. Die vom ,, Industriehof" zogen über die Lagerstraße, und Hunderte Frauen gaben ihnen strahlend das Geleit. Erst vorn beim Lagerplatz drängte uns die Polizei zurück, aber sie hatte keine Macht mehr, die Lagerstraße zu säubern. Eine dichte Mauer von Häftlingen umstand den Platz, wo sich alle Norwegerinnen sammelten und rief und winkte zum Abschied. Das war die erste Freudendemonstration in Ravensbrück . Unsere Lille hatte vor Erregung und Abschiedsschmerz ein leichenblasses Gesicht, in dem sich Freude und Sorgen stritten, denn sie fürchtete um uns Zurückbleibende. Anicka und mir war es auch nicht leicht ums Herz. Wann würde man sich je im Leben wiedersehen? Und ob es noch einmal ein so vertrautes Zueinandergehören geben würde wie im Konzentrationslager Ravensbrück ?
24. FREIGELASSEN
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AUF DER FLUCHT VOR DEN RUSSEN
Seit Januar 1945 erhielten wir keine Post mehr. Zeitungen wurden immer seltener, und über die Lage auf den Kriegsschauplätzen bekamen wir, seitdem die Arbeit ruhte, nur noch vage Gerüchte zu hören. Danach verlief Anfang April die Westfront an der Elbe , die Ostfront an der Oder und im Süden wurden Orte genannt, die nicht weit von Berlin sein konnten. Man erzählte sich, daß die SS - Mannschaften zur Flucht rüsteten. Ebenso wie wir, statteten sie sich mit Rucksäcken aus, und genau so wie manche Häftlinge begannen die Graf, Binder und Konsorten die letzte Möglichkeit zu benutzen, sich durch Diebstahl zu bereichern. Alles, was an wertvollen Stoffen im„ Industriehof" aufgestapelt war, trugen sie heimlich davon. Manche von uns wollten wissen, daß vor dem Heran
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