ZUR EINFÜHRUNG
Das vorliegende Buch Margarete Buber- Neumanns bringt in die Betrachtung unsrer Vergangenheit einen anderen Aspekt als den gemeinhin üblichen. Gewiß, auch ihr Werk über die Konzentrationslager ist ein kühl- sachliches Dokument des organisierten Hasses, der Lüge, Gemeinheit, Brutalität in extremster Form. Aber der Nachklang, der am Ende der Lektüre bleibt, ist weniger Empörung, weniger Anklage, weniger Entsetzen als vielmehr das Gefühl, ändern zu müssen. Margarete Buber- Neumann appelliert nicht an das Mitleid, weder durch direkte Aufforderung noch indirekt durch Pathos oder rührende Ausdrucksoder Darstellungsweise. Die Verfasserin berichtet nichts sonst. Sie verklärt die Leiden nicht und auch nicht die Leidenden, und ihre Konsequenz ist auch nicht Weltverachtung. Ja, sie selbst zieht überhaupt kein Fazit. Mit dem schlichten Bericht scheint ihr offenbar genug getan.
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Es ist genug. Denn der Leser zieht die Konsequenz, auf erstaunliche Weise unbewußt. Und was er mitnimmt teuflischen, geder geschilderten aus spenstischen Welt der Konzentrationslager ist so unglaubhaft es klingt Hoffnung, Liebe. Man darf mit Recht daran zweifeln, daß solche Wirkung von der Verfasserin beabsichtigt war. Aber die Wirkung ist, und man begrüßt sie voller tiefer Dankbarkeit.
Gegenwärtig scheinen uns alle Bemühungen um den Frieden, der das Vertrauen bedeutet, vom Stempel des Vergeblichen geprägt, von übergroßer Skepsis hoffnungslos beschattet. Kaum einer, der nicht den Glauben an den anderen, den Mitmenschen, verloren hätte, und damit den Glauben an die Gesamtheit der anderen. Und die Symptome der vom Egoismus diktierten Gewaltherrschaft scheinen uns fast nur wenn auch eminente Steigerungen der Kennzeichen, die für die allgemeine Lebenshaltung typisch sind, die uns heute noch gefangenhält. Welt aus Haß, Welt aus Lüge, Gemeinheit, Brutalität auch heute noch, getarnt unter großen Worten von Humanität, gemildert in den Erscheinungsformen ihrer Bosheit, aber doch in ständiger Drohung des wilden Ausbruchs
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