Heer von Aufseherinnen machten es möglich, das Getränk an die Ver­durstenden zu verteilen. Die Auschwitzer Häftlinge brachten ihren eigenen Lebensstil mit. Den hatte das Vernichtungslager geprägt: Koste es, was es wolle, aber rette dein Leben! Sie waren brutal in Aussehen und Manieren. In der ersten Zeit konnte man jede Auschwitzerin auf der Lagerstraße erkennen. Bald nach deren Ankunft lief ein Gerücht durch Ravensbrück , daß alle alten und arbeitsunfähigen Häftlinge nach Mitt­ weida in ein Lager für leichte Arbeit kämen. Schon mußte ein Block an­treten, und ein angeblicher Arzt mit Namen Winkelmann, von dem die Auschwitzer munkelten, er habe bei ihnen Häftlinge fürs Gas ausgesucht, ließ die Frauen an sich vorbeidefilieren. Mit dem Daumen verwies er die einen nach rechts, die anderen nach links. Die Linken durften in die Baracke abtreten, die Rechten aber sollten nach Mittweida abtransportiert werden. Die Lastautos mit den Frauen fuhren davon.

Zur gleichen Zeit wählte man einige Politische für neue Block­ältestenposten aus. Die kamen in das sogenannte Jugendlager Ucker­mark", das hinter dem ,, Industriehof", jenseits der Ravensbrücker Mauer lag und früher jugendlichen Häftlingen Unterkunft geboten hatte. Dort trafen sie die ,, Mittweidaer" wieder. Durch die neuen Blockältesten er­fuhren wir so nach und nach von den himmelschreienden Bedingungen, unter denen die Alten und Schwachen dort vegetierten. Man hatte ge­glaubt, Ravensbrück wäre schon das furchtbarste, aber weit gefehlt. Noch weniger Nahrung, stundenlange Appelle, keine Mäntel, keine ärztliche Hilfe so sah ,, Mittweida " aus.

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Im Laufe des Jahres 1944 hatte man einen zweiten Krematoriums­ofen hinter dem ,, Bunker" erbaut. Der schwarze, stinkende Rauch aus beiden Schornsteinen wurde uns eine Selbstverständlichkeit, und Witze, wie: ,, Seht mal, da fliegt die Lina davon!" oder die giftige Bemerkung: ,, Du gehst auch nur durch den Kamin nach Hause!" kennzeichneten die Einstellung der Häftlinge zum Sterben. Einige Tage nach dem Ab­transport der ,, Mittweidaer" holte mich Anicka während der Nacht­schicht erregt vom Bürotisch und bat, ich solle nur mal einen Moment hinausblicken. Da stand über dem Zellenbau eine hohe Feuersäule. Ich begriff nicht gleich, was da brennen könne. Dann fiel mir das Kremato­rium ein. ,, Aber hatten wir denn so viele Tote in den letzten beiden Tagen?" ,, Ist eine neue Typhusepidemie ausgebrochen?" Wir ahnten etwas Grauenvolles, aber keiner wußte es genau. Erst eine Blockälteste aus dem Jugendlager sagte uns alles. Wiederum seien Lastautos ge­kommen. Es mußten sofort vierzig Frauen aussortiert werden, denen die Aufseherinnen mit einem Kopierstift die Häftlingsnummer hatten auf den Unterarm schreiben wollen. Darauf seien die Frauen in Panik verfallen, hätten mit Händen und Füßen um sich geschlagen und sich geweigert, das Lastauto zu besteigen. Erst ein spezielles Kommando

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