kannte mich vom Büro der Oberaufseherin und wußte von meinen„, Verbrechen". ,, Warum haben Sie sich nicht im Arbeitseinsatz gemeldet?" fauchte er weiter, und sein Gesicht, das durch eine Beule auf der Backe seine besondere Note erhielt, lief rot an. Ich bin krank und habe Innendienst", war die einzige Lüge, die mir einfiel. Milena ließ er Gott sei Dank ungeschoren, da sie eine Armbinde trug.- ,, Sie sind wohl lange nicht im Bunker' gewesen?! Machen Sie, daß Sie sofort in den , Arbeitseinsatz kommen! Sonst raucht's!" und damit wandte er sich mit knarrenden Stulpenstiefeln zum Gehen.
Im Büro des ,, Arbeitseinsatzes" ließ sich Dittmann das Vergnügen nicht nehmen, mich in sein Zimmer zu rufen, mit Meldung zu drohen, aber dann zu verfügen, daß ich sofort in Schneiderei I strafweise zur Arbeit ,, ans Band" käme. ,, Melden Sie sich bei Oberscharführer Graf! Ich werde ihm telefonisch Bescheid geben! Ab!"
23. SCHNEIDEREI UNTER SS - REGIE
Die Schneiderei I war eine große, stabil gebaute Fabrikhalle mit Oberlicht und großen Seitenfenstern. Über 400 Frauen arbeiteten dort an elektrischen Nähmaschinen und Schneiderei- Spezialmaschinen aller Art bei der Herstellung von SS- Uniformen.
Die große Schneiderhalle dröhnte von dem Geratter hunderter elektrischer Nähmaschinen. Man konnte sein eigenes Wort nicht verstehen. In langen Reihen liefen die Arbeitsbänder durch den Raum. Das eine verfertigte SS- Hosen, das andere SS- Uniformjacken, das nächste SS- Mäntel oder SS - Schneeblusen oder SS- Tarnjacken. Neben den hintereinander aufgestellten Nähmaschinen schoben auf dem sogenannten ,, Band" die Häftlinge in flachen Holzmollen den jeweilig fertiggestellten Arbeitsgang ihrem Vordermann zu. Die Zuschneiderei lieferte die Schnitte, an besonderen Tischen wurden sie zusammengelegt, an anderen geheftet, und dann kamen die Teile an die ,, Bänder". Eine nähte die Seitennaht, die nächste die Vordernaht, die nächste den Ärmel zusammen, die nächste setzte ihn ein, wieder eine nähte den Kragen an usw. usw., bis bei der letzten die fertige SS- Jacke von dem das Band überwachenden Anweisungshäftling, der kontrollierenden Aufseherin oder dem für die Arbeit verantwortlichen SS- Mann entgegengenommen und geprüft wurde. Jedes Band" hatte sein festgesetztes Pensum. Wurde es nicht erfüllt, gab es Prügel, Strafestehen und Meldungen. Es trieb der Anweisungshäftling, es keifte die Aufseherin, es schlug der SS- Mann. Als ich da an der Maschine saß und drohend das Wort„ Pensum" hörte, wurde mir die Zeit in Burma gegenwärtig, wo auf uns genau so der Schrecken des nichterfüllten Pensums lastete. In Sibirien erzwang man seine Erfüllung durch verkürzte Brotrationen, in Ravensbrück mit Prügel, Strafestehen und Meldung.
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