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,, Ja, blonde Locken und blaue Augen."

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Minute klopften die beiden miteinander. Da erzählte Betty dem Karl, aus welcher Stadt sie sei, von ihrer Kindheit, von ihren Erfolgen bei den Männern, und Karl fragte: ,, Wie siehst du eigentlich aus, Betty? Bist du groẞ?" Und die Antwort: ,, Ja, groß und sehr schlank." Ich kannte ,, Bist du blond?" Betty von Block 2. Sie war klein und zierlich, hatte braune Augen und dunkle Haare. Ein wirklich hübsches Mädchen. Aber nun mußte sie so sein, wie Karl sie wünschte. In Karls Zelle lagen noch zwei Männer. Einer hieß Robert. Alle drei erwarteten ein Todesurteil wegen ,, Dieb­stahl an Wehrmachtsgut".

,, Hast du mich wirklich lieb, Karl?" fragte Betty zärtlich. Und Karl, der mit einem Fuß auf dem Klapptisch seiner Zelle balancierte und sich ans Fenster klammerte, um nahe der Decke sprechen zu können, be­teuerte, nur sie zu lieben. ,, Karl, wenn wir rauskommen, wirst du bei mir wohnen. Ich habe ein hübsches Zimmer. Und dann sind wir abends bei­einander, die Tischlampe brennt, ich habe meinen rosa Pyjama an, du sitzt neben mir auf der Couch..." Es polterte, Karl sprang mit einem Satz von seinem Horchposten, der Aufseher der Männer nahte.

An einem Sonntagabend klangen aus vielen Zellen sehnsüchtige Lieder, slawische, deutsche und französische. Eine feuerte die andere an, noch hingebungsvoller zu singen. Mir war, als hätte ich die Stimme der Eva Busch gehört. Weshalb aber mochte sie in den Zellenbau gekommen sein? Was war passiert?

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Ich vermutete die Aufseherin Binz weit fort, legte den Mund an den Türspalt und rief hinaus in den Lichthof: ,, Eva! Eva!" Kurz darauf kam schon Antwort: ,, Grete!" ,, Was ist mit dir?" Und jammernd tönte es zurück: ,, Ich komme nie wieder heraus! Es ist ganz furchtbar! Wie soll ich das überleben!" Ich versuchte, sie zu trösten und erzählte ihr, daß ich mir vorkäme wie ein Affe im Käfig, der immer am Gitter hockt und auf Futter lauert. Kaum hatte ich den Satz ausgesprochen, vernahm ich, wie irgendwo fluchend eine Zelle aufgeschlossen wurde und hörte die bittende Stimme der Eva Busch . Um Gotteswillen, die Binz ! Gerade hatte die Bibelforscherin Kaffee hereingegeben, als das Licht an­ging, die Binz zu mir in die Zelle stürzte, den Aluminiumbecher ergriff und den Kaffee in die Wasserleitung kippte: ,, Affen brauchen keinen Kaffee! Drei Tage Kost- und Deckenentzug!" Das war bitter! Und ich hatte schuld an den drei Tagen der Eva Busch .

Da lag ich wieder drei Nächte in meiner Klosettecke, und die Sinne begannen langsam zu schwinden. Viel früher als bei dem ersten Essen­entzug trat diesmal fast völlige Besinnungslosigkeit ein. Am dritten Tage hatte ich kaum die Kraft, mich aufzuraffen, als früh am Morgen, vor der üblichen Zeit des Brotausteilens, die Klappe an der Tür aufging und eine aufgeregte Stimme flüsterte: ,, Grete, komm ganz schnell her, ich

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