vom Boden auf und ging langsam, den Rücken der Zellentür zugewandt, durch den Raum. Ramdor, dieses Untier, sollte mein Gesicht nicht sehen. Das Licht ging an, die Klappe fiel herunter, und Ramdor fragte:„ Na, wie geht es Ihnen?! Haben Sie sich Ihre Aussagen überlegt?!" Ich schwieg. Mit einem höhnischen ,, Ich kann warten!" schlug er die Klappe zu und schaltete das Licht aus.
Wann wird er mich zum Verhör holen? Wahrscheinlich nachts. Er kann mir doch nichts beweisen. Ob die Langefeld sich für mich einsetzen wird? Aber wie kann sie denn? Jede Beschuldigung gegen mich belastete sie doppelt, denn es geschah ja alles in ihrem Büro, unter ihren Augen. Eine Weile vergaß ich Hunger und Kälte. Aber dann roch es durch die Tür nach Kohlrüben, und mein Mund füllte sich mit Speichel. Ich kroch in die Ecke zwischen Wand und Klosett, dort schien es am wärmsten zu sein, und zog das Kleid über die Schultern. Jedesmal, wenn Schritte auf den Fliesen hallten, sprang ich auf und begann den Marsch durch die Zelle.
In der zweiten Nacht kamen Träume: Berge von Brotlaiben lagen aufgestapelt an den Wänden und ich griff danach, um erschreckt zu erwachen. Ich beugte mich über eine Hundeschüssel voller Makkaroni, wollte wie ein Tier zu fressen beginnen und stieß mit dem Kopf gegen das Klosett. Dann raffte ich mich wieder auf und lief, bis das Herz in den Fingern schlug, ging zur Wasserleitung und trank gierig. Das half für eine Weile Schon am dritten Tag war der quälende Hunger vorüber, aber der Wunsch nach Wärme übermächtig. Wieder ging pünktlich am Vormittag das Licht an, und die Bibelforscherin mit ausdruckslosem, blutleerem Gesicht und leidend herabgezogenen Mundwinkeln, als habe sie eine Mitleidsmaske vorgebunden, reichte stumm Besen und Schaufel herein. Sie schien mir ein körperloses Wesen dieses grauenvollen Hauses zu sein. ,, Bitte, gib mir mehr Papier!" Sie flüsterte ,, ja", schloß schnell die Tür und löschte das Licht, als fürchte sie, ich könnte mehr Bitten aussprechen, sie vielleicht um ein Stückchen Brot anflehen. Ja, die Bibelforscher waren korrekt in der Erfüllung ihrer KZ- Ämter. Ein Wagnis gingen sie nur im Interesse Jehovas ein, aber nicht für irgendeinen Mithäftling. Was hätte die SS auch sonst von ihnen denken müssen, wenn sie bei einer Vernachlässigung ihrer KZ- Pflichten erwischt worden wären?!
Der Fußboden in der Ecke beim Klosett war mit Papier belegt, dort kauerte ich und verbarg mein Gesicht vor den Blicken durch den ,, Spion". Ich hatte aufgehört, die Tage und Nächte zu unterscheiden. Das Herz tickte ganz leise im Hals. Bitter war nur, daß die schimmernden Daunendecken, die auf dem Boden herumlagen, sich nicht heranziehen ließen, immer verschwanden, wenn ich die weiche Seide ergriff... Dann kamen Menschen in meine Zelle. Sie leuchteten wie phosphoreszierendes Holz, sie schienen den Boden nicht zu berühren, waren aber unendlich freund
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