lich, beugten sich stumm zu mir und lächelten. Nie hatte ich solche Ge­sichter gesehen. Ich war ganz ruhig und glücklich; auch die Kälte war nicht mehr so arg. Nur mit dem Besen quälten sie mich. Ich verbarg das Gesicht und wünschte die Dunkelheit herbei.

Daß es der Morgen des achten Tages war, erfuhr ich erst später. Die Klappe fiel herunter, und die infame Stimme der Binz zeterte: Na, woll'n Sie sich Ihr Brot nicht holen?!!" Ich ging schwankend zur Tür, auf der Klappe lag eine Ration Brot und stand ein Becher mit warmem Kaffee- Ersatz. Das Licht ging an, ich nahm ungläubig die Speisen und trug sie zum Klapptisch; das Licht erlosch und ich umklammerte mit beiden Händen das duftende Brot.

Nach den sieben Hungertagen erhielt ich jeden vierten Tag das übliche Lageressen, in den drei anderen Tagen nur die Ration Brot. Es ist schwer zu sagen, was furchtbarer war, der absolute Hunger oder das immer am Rande des Verhungerns sein. Am Abend des achten Tages wurde die Pritsche heruntergelassen und ich bekam zwei Decken, ein Laken und einen Bettbezug, aber keinen Strohsack. In der Gestapo­Verordnung lautete so etwas: ,, Strenger Dunkelarrest mit hartem Lager". Nach dem warmen Getränk und den ersten Krumen Brot er­wachte mein Wille zum Leben. Es mag unglaublich klingen, aber ich wusch mich mit kaltem Wasser ab, und als ich einen Platz für das feuchte Handtuch suchte, war die Zentralheizung warm. Ich schmiegte mich dar­an. Einmal am Tag, nur für eine halbe Stunde, drehte man jetzt die Heizung auf.

Am Nachmittag holte mich die Aufseherin Binz aus der Zelle, befahl mir, die Decken mitzunehmen, und eine atemlose Minute lang hoffte ich, freigelassen zu werden. Aber nein, es ging die Eisentreppe hinauf und die gegenüberliegende Galerie in der ersten Etage entlang bis zur letzten Zelle. Sie schien mir nicht ganz so dunkel, die Spalte zwischen Fußboden und Tür war breiter, auch roch es weniger dumpf nach Kellerverlies als in der zu ebener Erde. Während der wenigen Schritte von einer Zelle zur anderen hatte im Lichthof des ,, Bunkers" die Sonne geschienen, richtige helle Maisonne. Da draußen wurde es Frühling.

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Der Schrecken des Zellenbaus war der Freitag mit dem Strafvollzug. Da wurden die zu Stockhieben Verurteilten aus den Zellen geschleift, und vom Lager führte man solche herein, denen wegen ,, Verkehr mit Ausländern" nicht nur die Haare abrasiert wurden, sondern die auch Prügel bekamen. Die Untersuchungshäftlinge", solche wie ich, konnten an jedem Freitag damit rechnen, zum ,, Strafvollzug" geführt zu werden. Ramdor holte mich nachts zum Verhör, aber da war nicht mehr die Rede von unterschlagenen Meldungen, verschwundenen Kassibern, wie bei meiner Einlieferung, sondern es drehte sich um Privatgespräche, die ich mit der Oberaufseherin Langefeld gehabt, um eine Spionageorgani­

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