derwertige, verkommene Frauen geschildert, gegen die sie nun mit aller Schärfe vorzugehen hätten. Natürlich unterstrich man gebührend die Wichtigkeit ihres neuen Amtes, sparte nicht mit Strafandrohungen, wenn die Dienstvorschriften nicht eingehalten würden, und drohte vor allem mit Strafen für jeden privaten Kontakt mit diesem Abschaum der Menschheit, den Konzentrationslagerhäftlingen. Alle paar Tage fanden neue Aufseherinnenappelle statt, in denen ihnen Strenge und nochmals Strenge gepredigt wurde. Ihre tägliche Gesellschaft waren von nun ab die kommandierenden, keifenden, prügelnden Aufseherinnen, nicht selten auch noch ebensolche ,, Anweisungshäftlinge" und die meist schmutzigen, böse und feindlich dreinblickenden oder verächtlich kriecherischen Häftlinge. In ihrer Freizeit pflegten die neuen Aufseherinnen Geselligkeit mit den SS - Leuten von der Wache. Bald merkten sie, daß die brutalen Aufseherinnen ganz besondere Erfolge bei den Männern hatten, vor denen sie sich mit ihren Heldentaten brüsteten. Und bis auf ganz vereinzelte, die neben persönlichem Mut auch über moralischen Widerstand verfügten und es bei der Lagerleitung durchsetzten, noch vor der nach drei Monaten stattfindenden ,, Dienstverpflichtung" wieder entlassen zu werden, konnte man das traurige Schauspiel erleben, wie diese Fabrikarbeiterinnen schon nach vierzehn Tagen kommandierten, als seien sie auf einem Kasernenhof aufgewachsen und bald mit Meldungen drohten und mit Fäusten schlugen, genau so wie die Alten.
Es gab auch Fälle, daß man Frauen von irgendeinem Arbeitsamt aus nach Ravensbrück als Aufseherinnen vermittelte. Das geschah meist, wenn jemand sich ein- oder zweimal geweigert hatte, die zugewiesene Stelle anzunehmen. Auch dabei verschwieg man das Wort ,, Konzentrationslager", und das Entsetzen dieser Menschen, wenn sie in Ravensbrück ankamen, war erschütternd.
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Die Beziehungen zwischen der Oberaufseherin Langefeld und sowohl dem Kommandanten als auch dem Schutzhaftlagerführer und dem neuernannten ,, Arbeitseinsatzführer" Dittmann wurden immer gespannter. Beide Seiten sammelten eifrig gegeneinander Belastungsmaterial. Die Langefeld wußte von unzähligen Korruptions- und Diebstahlsangelegenheiten der gesamten SS - Obrigkeit und jene, so schien es mir damals, versuchten zu beweisen, daß die Oberaufseherin ihrem Amt nicht gewachsen sei. Es wurde ihr nachgewiesen, daß die„ Lagerbestandsziffer" falsch sei, die Zählappelle nicht stimmten und anderes mehr. Der im Auftrage des Kommandanten vorgeschickte Beobachter war der Gestapomann Ramdor. Sein aus Häftlingen bestehender Spitzelapparat wuchs von Woche zu Woche. Er steckte Frauen ohne irgendeine Meldung in den Bunker, prügelte sie, begoß sie mit Wasser und ließ sie hungern, um irgendwelche
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