könnte, um die notwendigen Fragen zu stellen, damit man auch diese, doch besonders wichtigen„ Anfragen" der Kranken erledigen könnte. Sie stimmte zu. Auch das wurde später ein Anklagepunkt gegen die Langefeld und mich.
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Für die Zehntausende von Häftlingen benötigte die SS immer mehr und neue Aufseherinnen. Zu diesem Zweck unternahm der Schutzhaftlagerführer Bräuning regelrechte Werbereisen. Er begab sich z. B. in die Flugzeugwerke Heinkel . Man rief ihm die Arbeiterinnen zusammen, und er machte ihnen mit beredten Worten klar, daß für ein Umerziehungslager geeignete Kräfte gesucht würden, die dort lediglich Aufsichtsarbeit zu leisten hätten. Er schilderte in leuchtenden Farben die entzückenden Wohngelegenheiten, die vorzügliche Ernährung, die abwechslungsreiche Geselligkeit und vor allem die hohe Entlohnung, die sie dort erwartete. Das Wort„ Konzentrationslager" fiel natürlich nicht. Der Erfolg blieb nicht aus; denn welche Arbeiterin eines Kriegsbetriebes zöge es nicht vor, anstatt schwere körperliche Arbeit unter schlechten Bedingungen leisten zu müssen, einen so verlockenden Aufsichtsposten anzunehmen? Nach jeder solchen Reise des Schutzhaftlagerführers traten zwanzig und mehr junge Arbeiterinnen ihren neuen Beruf im KZ an.
Noch bevor sie ihre feldgrauen Aufseherinnenuniformen erhielten, kamen sie geschlossen zur Oberaufseherin. Die meisten waren einfach, eher ärmlich gekleidet und standen schüchtern, ganz beklommen, mit verlegenen Gesichtern im Büroraum. Die Langefeld teilte ihnen mit, in welchem der Aufseherinnenhäuser sie wohnen würden, wo sie ihre Uniformen zu ,, fassen" hätten und wann der Dienst anfinge. Dann beobachtete ich oft durchs Fenster, wie sie über den Lagerplatz gingen, sich gegenseitig anstießen und mit erschreckten Augen auf vorbeimarschierende Häftlinge starrten. Bei vielen trat bereits eine entscheidende Wandlung ein, nachdem sie ,, eingekleidet" waren. In Stulpenstiefeln ließ es sich schon ganz anders auftreten, dann das Krätzchen schief aufs Ohr gesetzt, und schon stellte sich ein gewisses Selbstbewußtsein ein.
Jede ,, Neue" wurde einer erfahrenen alten Aufseherin zugeteilt und mußte morgens mit den Arbeitskolonnen ausrücken. In den ersten Tagen ihrer Aufseherinnenexistenz ereignete sich bei der Hälfte aller dieser Frauen das gleiche: sie kamen weinend in das Dienstzimmer der Ober. aufseherin und verlangten, sofort entlassen zu werden. Dort machte man ihnen klar, daß nur der Schutzhaftlagerführer oder Kommandant sie von ihrer Arbeit entbinden könnte. Aber diesen Schritt wagten wenige. Die Furcht, vor einem Offizier erscheinen zu müssen, der sie vielleicht anschnauzen würde, hielt sie zurück.
Der Kommandant und Schutzhaftlagerführer weihte diese neuen Aufseherinnen in ihre Pflichten ein. Es wurden ihnen die Häftlinge als min
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