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mal ein Wort. Obgleich er genau wußte, daß wir Blumen stahlen, und als dann die Gurken und Tomaten reiften uns nicht nur vollaẞen, sondern auch welche ins Lager mitnahmen, schwieg er.
Im Gewächshaus regierte Eva Busch . Sie ist eine bekannte Kabarettsängerin und war die Frau des Schauspielers Ernst Busch . Einer so scharmanten Frau konnte der Gärtner Loebel schwer widerstehen, und nachdem sie ihm einige Zeit in den Ohren gelegen hatte, was für eine perfekte Gärtnerin ich sei, schickte er mich zur Arbeit ins Gewächshaus. Dann gelang es uns auch noch, Lotte dahin nachzuziehen. Einer der wichtigsten Freundschaftsdienste war es, jemand einen Posten zu verschaffen, bei dem es entweder etwas zu essen gab oder die Möglichkeit bestand, Gestohlenes zu kochen, wo also eine Feuerstelle vorhanden war.
Solange ich als Blockälteste arbeitete, hatte mich die Verantwortung für die Frauen einer ganzen Baracke in ständiger Spannung gehalten, da drohten nicht nur fortwährend persönliche Gefahren, sondern immer gleich für einige hundert Menschen. In der Gärtnerei aber führten wir drei jetzt ein losgelöstes, glückliches Leben. Jahrelanges KZ- Dasein mit seiner völligen Entmündigung, der ständigen Angst vor Strafe und dem Zwang zur Unterwerfung läßt erwachsene Frauen, sowie sie etwas aufatmen können, sich wie Kinder gebärden. Ihr Humor wird anspruchslos, sie suchen nur nach Gelegenheiten, um lachen zu können. Wir drei kamen auf den Gedanken, uns in einem zementierten Wasserbehälter ein Aquarium einzurichten. Während wir mit toternsten Mienen an den Mistbeeten im Garten knieten, um Blumen einzutopfen, fingen wir in Wirklichkeit Frösche, dicke braune, kleine grüne, alles was sich erwischen ließ. Ohne die Gesichter zu verziehen, wurden sie in leeren Blumentöpfen nach dem neuen Aquarium getragen und plumpsten ins Wasser. Damit die armen Insassen auch einmal vom Schwimmen ausruhen konnten, schnitzten wir kleine Holzschiffchen, die unsere Frösche dann erkletterten. Wir drei standen entzückt am Wasserbottich und beobachteten unser Werk. Sowie aber die Gewächshaustür klapperte, ergriff Eva die Gieẞkanne und besprengte die schon unzählige Male begossenen Blumen, ich wühlte mit dem Spatenstecher in der Erde herum und Lotte lief mit einem Arm voller Blumentöpfe davon.
Gerade in dieser Zeit reiften im Gewächshaus Gurken und Tomaten. Das Stehlen war ganz selbstverständlich, schwieriger schon der Transport ins Lager. Jeden Tag erfanden wir neue Verstecke. Im Eimer unter der Gartenerde, die angeblich eine Aufseherin bestellt hatte, im abgebundenen Ärmel des Lagerkleides und im Büstenhalter. Wir wollten Milena Gladiolen bringen. Aber wie? Die magere Lotte steckte die langen Stengel in den Halsausschnitt des Kleides und band den Gürtel recht fest, damit sie nicht unter dem Rock wieder herausfielen; dann ging sie steif wie eine Puppe den Weg von der Gärtnerei zurück zum Lager.
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