durch eine Niederlage im Krieg zu beseitigen sei, aber in den deutschen Städten lebten Menschen, die ich liebte, und ebenso wie diese gab es ja nicht wenige Feinde des Nationalsozialismus in Deutschland . Und auf alle warf man Brandbomben und Phosphor.

be

*

Nach dem Morgenappell auf Block 1 trat ich bei der Kolonne ,, Lager- Gärtnerei" an. Vor der Wachstube, jenseits des Lagertors, zählte man die fünfzehn Frauen, und dann marschierten sie unter dem Gesang: ,, In meiner Heimat, da blühen die Rosen..." in Fünferreihen am Fürstenberger See entlang. Das erste Mal seit zwei Jahren Ravensbrück sah ich die Außenwelt. Ein Seeufer mit Schilf und Erlengestrüpp und in der Ferne den spitzen Kirchturm von Fürstenberg . Nur einige Minuten, dann führte der sandige Weg zwischen den Hühner- und Schweineställen der SS hindurch und wir machten vor dem Gewächshaus der Lager­gärtnerei halt. Mit unserer Kolonne ging eine SS- Aufseherin von unge­fähr fünfzig Jahren, ein Mitglied der NS- Frauenschaft , die man ehren­amtlich auf diesen Posten geschickt hatte. Dem eigentlichen Beruf nach war sie Mamsell in einem Gasthaus, und da sie erst seit einigen Tagen ihren Aufseherinnenposten bekleidete, bemühte sie sich ängstlich, vor den Häftlingen ihre Schüchternheit zu verbergen. SS - Gärtner Loebel ver­teilte die Arbeit. Während der ersten Stunden blickte ich noch von Zeit zu Zeit auf die Pracht der bunten Stauden in der Gärtnerei, dann aber erlosch das Interesse. Die Hände waren voller Blasen, der Magen aus­gehöhlt, und nur mit größter Anstrengung konnte man die schwere Schaufel dirigieren. In der Gärtnerei arbeiten, das hat so einen ange­nehmen Klang, aber wenn man neun Stunden lang gegraben oder im Tragkasten Mist geschleppt oder Erde ,, bewegt" hat, hören die Blumen auf, reizvoll zu sein. Nur ein Problem beschäftigte uns alle, wie kann man sich etwas zum Essen ,, organisieren"? Bibelforscher betreuten die Schweine der SS. Da gab es genug und übergenug Kartoffeln. Wir ver­abredeten ein sicheres Versteck, wo uns Hungrigen ein Eimer voll frisch­gekochter Kartoffeln serviert wurde, die wir beim Austreten aẞen.

Die Lagergärtnerei zog hauptsächlich Blumen für die Anlagen vor den Aufseherinnen- Häusern und die Gärten um die Villen der Komman­danten, des Schutzhaftlagerführers und der übrigen SS - Obrigkeit. Man sparte an nichts, um die SS - Heime mit Topfpflanzen und Schnittblumen zu zieren. Großartige Rasenflächen und Blumenrabatten umgaben das Kommandanturgebäude. Alles wurde ja von Häftlingssklaven instand ge­halten. Wir gossen, wir rupften Unkraut und pflanzten um. Trotz der schweren Arbeit war die Gärtnerei eine begehrte Kolonne, denn dem Gärtner Loebel fehlten alle gefürchteten SS- Eigenschaften. Er fluchte nicht und drohte nicht mit Meldungen, eigentlich sprach er ganz selten

15 Buber: Gefangene.

225