Hand der spärlichen Fälle von politischem Widerstand, daß der kommunistische Einfluß in Deutschland von Monat zu Monat wachse. Und wenn man als Gegenargument die immer seltener werdenden deutschen Zugänge von wirklich politischen Gegnern im KZ anführte, so erwiderten sie, daß alle neuen Verhafteten ins Zuchthaus kämen. Fragte man dann aber, wo die bei jeder aufgedeckten politischen Aktion mitverhafteten ,, Verdächtigen" blieben und warum es keine Zeitungsnachrichten über solche Widerstandsbewegungen gäbe, so entgegneten sie, die illegale KPD arbeite so vorzüglich, daß sie sich meist dem Zugriff der Gestapo entziehen könne, aber doch vorkommende Verhaftungen kämen nicht in die nationalsozialistische Presse, um der Bevölkerung den Umfang des Widerstandes zu verheimlichen. Die alten politischen Häftlinge lebten in ihren Illusionen aus den Jahren vor 1933. Sie waren unfähig, aus den politischen Ereignissen der letzten zehn Jahre irgendwelche Schlüsse zu ziehen.
Einmal, es war schon im Frühjahr 1944, saßen Sonntags an einem Tisch des Blocks der alten" Politischen zwei deutsche Kommunistinnen zusammen mit einer jungen Russin, die Pflegerin im Sanitätsstab der Krimarmee gewesen war. Eine alte Kommunistin, die schon zehn Jahre Haft hinter sich hatte, meinte zur jungen Shenja: ,, Nach dem Krieg werden wir in Deutschland den Sozialismus aufbauen, genau so wie bei euch in der Sowjetunion ." Und Shenjas Gesicht verklärte sich, als sie entgegnete:„ Nach dem Krieg wird alles russisch sein, alles russisch...“
Politische Häftlinge von Block 1, die bei der SS in Kommandantur und Schreibstube arbeiteten, brachten Zeitungen mit ins Lager, so daß wir täglich die OKW - Berichte von der Front lesen konnten. Aber nicht nur offizielle deutsche Meldungen kamen uns zu Ohren, sondern neben den phantastischsten Gerüchten vom Zusammenbruch der Front, Revolution usw., die vor allem von den neueingelieferten Häftlingen verbreitet wurden und aus deren sehnlichen Wünschen nach baldiger Freilassung entstanden, erfuhren wir Jahre hindurch ausländische Radionachrichten. Natürlich kannten wir weder ihre Quelle noch die Übermittler, noch wagten wir, an deren Richtigkeit zu glauben. Wir staunten nur immer von neuem, daß gewisse Gerüchte, meist einige Wochen oder manchmal auch Monate nach ihrem Auftauchen in Ravensbrück , durch den ,, Völkischen Beobachter" oder„ Das Reich" bestätigt wurden.
Im Spätsommer 1942 gab es in Ravensbrück immer häufiger Fliegeralarm, und abends konnte man am Horizont im Südwesten, da wo Berlin lag, die Scheinwerfer spielen sehen. Wenn die Bombengeschwader über das Lager brausten, lagen wir in unseren Holzbaracken auf den Strohsäcken. Für die ausländischen Häftlinge war jede auf eine deutsche Stadt abgeworfene Bombe ein berechtigter Grund zum Jubel. Auch ich begrüßte die Flieger, denn ich wußte, daß der Nationalsozialismus nur 224


