dem Krankenrevier. Die Frauen hatten hohes Fieber, sie konnten nur mit Mühe auf den Beinen stehen, und der vereiterte Sonnenbrand stank so bestialisch, daß keiner es in der Baracke aushalten konnte. Da ver­suchte nach weiteren zwei Tagen die Block älteste, noch einmal mit ihnen ins Krankenrevier zu kommen. Man ließ sie herein, man schnitt den armen Alten die angeklebten Papierbinden ab, und der Fußboden des Untersuchungszimmers bedeckte sich mit einem Gewimmel von Fliegen­maden, die aus den Wunden an Armen und Beinen herausfielen. Einige Frauen bekamen ,, Bettkarten" im Revier und starben an den Folgen des Sonnenbrandes.

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Wenn sich ein Häftling krank fühlte, meldete er das bei der Block­ältesten, die alle Kranken ihrer Baracke auf einen Zettel schreiben mußte. Am Vormittag, nach Schluß des Arbeitsappells, ging sie mit den Kranken zum Revier. Schoa 1942 erkrankten infolge der Lagerbedingungen täg­lich hunderte. Die standen nun vor dem Krankenrevier bei jedem Wind und Wetter und wurden blockweise in den Vorraum hineingelassen. An einem Tisch saß die Oberschwester ,, Antenne", eine überlange, magere, gallig aussehende Alte mit großen, abstehenden Ohren und grotesk häẞ­lichem Gesicht. Ihr wurde der Zettel mit den Namen der Kranken über­reicht und sie entschied, ob eine Kranke zum Untersuchungszimmer durchgelassen wurde. Jede trat einzeln an den Tisch und brachte ihr Leiden vor. Wehe, wenn sie zu leise sprach oder zu jämmerlich, gleich warf man sie aus dem Revier. Wagten wartende Häftlinge sich zu unter­halten, flog der ganze Block hinaus, lehnten sie sich aus Müdigkeit und Schwäche an die Wand, flogen sie ebenfalls. Brachte man eine zusammengebrochene Schwerkranke herein und war es womöglich eine Jüdin, eine Zigeunerin oder eine Kriminelle, so ermunterte sich ,, Antenne", und ein lautes ,, Korridoraufnahme" erschallte. Bald wußten alle Häftlinge, daß ,, Korridoraufnahme" den sicheren Tod bedeutete. An die im Korridor des Krankenreviers Liegenden teilte man zwei Tage lang stark betäubende Tabletten aus, am dritten kamen sie ins ,, Sterbe­stübchen", wo die Oberschwester oder einer der Ärzte sie durch Evipan­injektionen ins Herz töteten. Die Wundbehandlung wurde von Häft­lingen ausgeführt. Was viele dieser ,, Häftlings- Sanitäterinnen" für ihre Mitgefangenen geleistet haben, ist unvorstellbar. Im engen Raum der Revierbaracke, hinter dem Rücken der ,, Antenne" hatten sie ihren Tisch mit Instrumenten, Salben und Verbandzeug aufgebaut. Dort wurde den Frauen das Fieber gemessen, dort im Gedränge der Kranken, säuberten und verbanden sie Geschwüre und Ekzeme, verabreichten sie Tabletten und Medizinen.

Man ließ zwanzig Polinnen, junge Frauen aus den Transporten der zum Tode Verurteilten, ins Krankenrevier kommen. Die Ärzte musterten die in Reih und Glied stehenden Frauen. Dr. Oberhäuser schickte eine fort mit den Worten: ,, Die hat zu dünne Beine, die können wir nicht ge­

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