Die Exekution der zum Tode Verurteilien erfolgte in der ersten Zeit regelmäßig beim Abendzählappell. Man stand, und die zum Zer- reißen gespannten Nerven vernahmen hinter der Lagermauer Schreie, bevor die Schüsse fielen. Wicklein, der Adjutant des Lagerkommandanten Kögel, führte mit einem SS-Kommando die Exekutionen aus. Von Bibel- forschern erfuhr ich, daß dieses Hinrichtungskommando von außerhalb kam und vor dem Morden in der SS -Kantine mit reichlichem Essen und Alkohol bewirtet wurde.

Viele von den Frauen des Warschauer Transportes hatten nie etwas von einem Todesurteil erfahren. Jetzt warteten alle Polinnen mit Häft- lingsnummer um 7000 auf ihre Hinrichtung, manche von ihnen über drei. Jahre.

Nach dem Warschauer Transport kam ein weiterer aus Lublin .

Im Winter 1941/42 tauchte in Ravensbrück eineÄrztekommission auf. Schon vorher hatte man im Revier alle Schwerkranken und in den verschiedenen Barackengeistig Minderwertige,Krüppel undAr- beitsunfähige von den Blockältesten auf Listen schreiben lassen. Es wurde erzählt, daß diese Häftlinge in ein Lager für leichte Arbeit oder in Sanatorien kämen. Die nach den Listen aufgerufenen Häftlinge mußten, soweit sie nicht bettlägerig waren, an derÄrztekommission, die im Baderaum des Lagers amtierte, vorbeidefilieren. Dann reiste die Ärztekommission ab, um nach kurzer Zeit zurückzukehren. Da rief man alle Frauen des Judenblocks ins Bad, und dieÄrzte fragten bei vielen

statt nach der Gesundheit nach der politischen Einstellung.-

Der erste Krankentransport verließ Ravensbrück Anfang 1942. Man lud die Frauen auf Lastautos und legte die Schwerkranken auf den mit Stroh bedeckten Boden. Als mir Milena am Abend von der Art des Ab- transportes der Schwerkranken erzählte, schienen meine Befürchtungen über den Zweck dieser Überführung in einanderes Lager so gut wie bestätigt. Aber schon am nächsten Tag gab es keinen Zweifel mehr. Ein Lastauto fuhr vor die Kammer. Es enthielt die Kleider der gestern Weg- geführten mit Häftlingsnummer und Winkel, deren Wäsche, die kleinen Beutel mit Waschzeug und Zahnbürste, einen Krückstock, eine Prothese und Gebisse. Der Krankentransport ging also in den Tod. Diese entset- liche Nachricht lief durch das Lager zu den Hunderten, die nun das gleiche Schicksal erwartete. Für keinen von uns gab es einen Zweifel, aber die Betroffenen, deren Tage bereits gezählt waren, sie allein glaubten nicht an eine solche Ungeheuerlichkeit, für die zurückgebrachten Häftlingssachen erfanden sie Erklärungen wie:Man wird sie im Sanatorium umgekleidet haben, Krückstock, Prothese und Gebisse ignorierte man einfach... So ging ein Transport nach dem anderen. Mit strikter Regelmäßigkeit kehrten die Gegenstände der Getöteten zurück. Nach den sogenannten Kranken gingen Hunderte jüdischer Frauen den

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