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Wenn ich herauskomme, werde ich ein anderes Leben führen usw.", sondern sie stellte nüchtern fest: ,, Nach ein paar Jahren KZ wird es mir gar nicht mehr so leicht fallen, in einer Nacht 300 Mark zu verdienen, da muß ich schon eine eigene Note' in Kleidung und Auftreten finden, um noch Erfolg zu haben...“
Else Krug war der einzige Anweisungshäftling unter den Asozialen von Block 2. Sie hatte die Kellerkolonne unter sich, die nur aus Asozialen bestand und der begehrteste Arbeitsplatz war. Im Keller gab es Kartoffeln, Rüben und Kohl, der Keller war in der Küchenbaracke, wo in besonderen Räumen Konserven und andere Herrlichkeiten lagerten. Welche Möglichkeiten zum Stehlen! Und welche ständigen Gefahren, erwischt zu werden! Else hat es fertig gebracht, durch die Zeit von mehr als einem Jahr keine Meldung zu bekommen und das bei einer Kolonne mit Asozialen. Wie war das möglich? Vor allem, weil Else Krug eine Persönlichkeit war und nicht nur, weil sie für alle Mitglieder der Kolonne stahl und es gerecht verteilte. Ich schilderte doch schon die Asozialen, wie sie zu jedem Verrat bereit waren und am ehesten, wenn es sich ums Essen handelte. Der Einfluß aber, den Else Krug auf diese fünfzehn oder zwanzig Kolonnenmitglieder ausübte, war ein solcher, daß keine es wagte, sie zu verraten; dabei wandte sie keine Terrormethoden an.
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Nach anderthalb Jahren erst ließ irgend jemand sie hochgehen und sie kam in den ,, Bunker" und dann für ein Jahr in den Strafblock. Lange schon war ich fort von Block 2, aber jedesmal, wenn wir uns begegneten, gab es eine Unterhaltung. Als sie nun mit dem Strafblock über die Lagerstraße marschierte, grüßten wir uns von weitem, denn es war verboten, mit den Häftlingen vom Strafblock zu sprechen, und sie rief: ,, Grete, die glauben, sie können mich mit Arbeit kleinkriegen! Da habense sich geirrt, das kann ich besser als alle!"
Anfang 1940 wurde in Ravensbrück die Prügelstrafe für sogenannte Lagervergehen eingeführt. Eine der ersten, die fünfundzwanzig Stockhiebe erhielten, war der politische Häftling Minna Rupp, weil sie von einem großen Haufen Mohrrüben, der vor der Küche lag, eine genommen hatte. Man band die Frauen auf einen Bock, der in einem besonderen Raum im Zellenbau stand, und während des ersten Jahres wurde die Exekution persönlich vom Lagerkommandanten Kögel oder der Aufseherin Drechsel und anderen SS - Weibern ausgeführt. Nach einer gewissen Zeit aber hatten sie wohl die Lust daran verloren oder es war ihnen zu anstrengend, weil Prügelstrafen immer häufiger verhängt wurden, und so wandte sich der Lagerkommandant an den Block der Kriminellen und teilte mit, daß, wer sich freiwillig zur ,, Vollstreckung des Strafvollzuges" melde, zwei bis drei Essenrationen erhalten würde. Auf Bewerberinnen brauchte er nicht lange zu warten. Von da ab teilten zwei Kriminelle und später eine Polin die Prügelstrafe aus.
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