welche Folgen dieses Gespräch haben würde, und daß ich, noch vor meinem Eintritt in die Lageröffentlichkeit, bereits geächtet war.

Mit den Polinnen des Zugangsblocks war ich schon nach einigen Tagen gut bekannt. In der zweiten Woche kam die freundliche Klavier­lehrerin und machte mir im Namen der polnischen Häftlinge von Block 16 den Vorschlag, mich als Blockälteste zu empfehlen". Ich sei eine poli­tische Deutsche und hätte schon Lagererfahrung. Außerdem hofften sie, daß ich nicht in dieselben Fehler verfiele wie unsere jetzige Tyrannin Minna Rupp. Ich lehnte entsetzt ab. ,, Was denkt ihr euch? Niemals werde ich eine Block älteste sein können, die.Mundhalten' ,, Hände runter!", , Ruhe da! schreit und vor der SS stramm steht oder, Achtung! ruft. Ich bin völlig unfähig, andere zu kommandieren!"

18. ALS STUBENÄLTESTE BEI DEN ASOZIALEN

Kurze Zeit nach diesem Gespräch wurde ich nach vorn" zur Ober­aufseherin gerufen und von unserer Stubenältesten an den Rand des Blumenbeetes, neben fünf oder sechs andere stramm und unbeweglich stehende Häftlinge gestellt. Nach einer ganzen Zeit kam mit betont ge­messenen Bewegungen die Oberaufseherin Langefeld zu unserer Reihe. Sie musterte die einzelnen oder tat nur so, dann fragte sie eine nach der anderen, warum und wo sie verhaftet worden sei und wie lange schon im Lager. Und dann traf sie die Entscheidung. Zu mir sagte sie: ,, Nehmen Sie gleich Ihre Sachen und gehen Sie auf Block 2. Sie sind dort Stuben­älteste!"

Die Polinnen, die gespannt den Erfolg ihrer Aktion abgewartet hatten, machten bei meiner Mitteilung entsetzte Gesichter. Um Gottes­willen, auf Block 2! Das ist ja bei den Asozialen! Das haben wir wirklich nicht gewollt!"

So kam ich ganz verwirrt und voller Angst mit Aluminiumschüssel, Bettdecken und dem ganzen Besitz eines KZ- Häftlings im Arm, auf Block 2 an und meldete mich bei der Blockältesten Liesl Müller. Schon beim Be­treten dieser Baracke dröhnte mir ein ohrenbetäubender Lärm entgegen und umwehte mich ein penetranter Abortgestank.

Die Blockälteste Liesl Müller, eine Lothringerin, die zur Zeit der Weimarer Republik zusammen mit ihrem Mann wegen Spionage zu Gunsten Frankreichs im Zuchthaus gesessen hatte und bei Ausbruch des Krieges von den Nazis in ,, Schutzhaft", d. h. ins Konzentrationslager ge­steckt worden war, zog ein schiefes Gesicht, als sie hörte ,, erst 14 Tage im Lager". In ihrem Amt als Blockälteste bei den Asozialen war sie für SS- Begriffe eine Idealgestalt. Sie kommandierte, keifte, sie drohte mit Meldungen und hatte keine Skrupel, auch welche zu machen.

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