Zweiter Teil
17. DER ZUGANGSBLOCK
Am Sonnabend, den 2. August 1940, trat ich zusammen mit fünfzig Frauen im Gefangenenwagen die Fahrt zum deutschen Konzentrations- lager Ravensbrück an. Vom Stettiner Bahnhof in Berlin ging es in Richtung Oranienburg nach Norden. Meine Angst vor dem Kommenden war so heftig, daß ich mich kaum noch an die Frauen erinnere, mit denen ich das kleine Abteil mit dem schmalen Fensterchen an der Decke teilte. Nur eine ostpreußische Bibelforscherin, die in Stimme und Haltung einer Lehrerin glich, und eine Hamburger Prostituierte, die immer wieder betonte, daß sie nur für drei Monate zur Umschulung ins Lager käme, sind mir im Gedächtnis geblieben.
In Fürstenberg in Mecklenburg hielt der Zug. Hundegekläff und laute Kommandos von Frauenstimmen hörte man, noch bevor die Ab- teile aufgeschlossen waren.„Zu fünfen antreten!“—„Hände runter!“— „Dämliche Weiber!“ schallte es uns entgegen, als wir vom Trittbrett kletterten. Zwei uniformierte Aufseherinnen hielten große Wolfshunde an der Leine und schienen ein Mordsvergnügen daran zu haben, die Hunde bis dicht an die Beine der ängstlichen Frauen springen zu lassen. Hinter dem Bahnhof standen zwei mit Zeltplanen bedeckte Lastautos, und mit dem größten Aufwand an Lärm trieb man uns fünfzig Frauen auf die Autos. Nach einer ganz kurzen Fahrt bremsten die Wagen, die Aufseherin übergab einem uniformierten Posten einen Zettel, man zählte uns. Dann knarrte ein Tor, und wir fuhren ins Konzentrationslager Ravensbrück ein.
Da standen wir in Fünferreihen am Rande eines Blumenbeetes vor einer sauber angestrichenen Holzbaracke. Eine Aufseherin in Stulpen- stiefeln, feldgrauem Hosenrock, einer Art Uniformjacke und ein Militär- käppi schief auf den wildgelockten Dauerwellen bewachte uns und rief in regelmäßigen Abständen:„Ruhe da! Hände runter! Ausrichten!“ Ich blickte über den großen Pla und wollte meinen Augen nicht trauen. Er war umsäumt von gepflegtem Rasen, durch den sich Beete zogen, auf
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