denen leuchtend rote Blumen blühten. An einer breiten Straße, die auf den Platz mündete und die von zwei Reihen Holzbaracken gebildet wurde, standen auf beiden Seiten junge Bäume, und am Straßenrand liefen schnurgerade Blumenbeete, soweit das Auge blickte. Der Platz und die Straße schienen frisch geharkt. Links von uns, wo es zum Lagertor ging, sah ich neben einer weißen Holzbaracke einen großen Käfig, so groß wie ein Vogelhaus im Zoologischen Garten. Darin stolzierten Pfauen, an einem Kletterbaum hangelten Affen, und ein Papagei kreischte immer dasselbe Wort, so ähnlich wie ,, Mama!" Das sollte ein Konzentrationslager sein?! Dem Zoo gegenüber, auf der anderen Seite des Lagerplatzes, war wieder eine große Rasenfläche, mit Edeltannen bepflanzt, die das einzig sichtbare Steingebäude des Lagers verdeckten. Und dieses Haus, damals wußte ich es noch nicht, war das Lagergefängnis, der ,, Zellenbau" oder„ Bunker" genannt, die Hölle des KZ. Meine erste heftige Reaktion beim Anblick dieser Blumen- und Zoo- Idylle war: ,, Aha, die verstecken ihre Bestialitäten hinter Blumenbeeten und Edeltannen! Das haben sie in Sibirien nicht nötig gehabt!" Nun lag Ravens brück allerdings nur 80 Kilometer von Berlin entfernt, mitten im Herzen Deutschlands , da war das schon verständlich.
Hinter dem Zoo konnte man ein Stück der hohen, mit Stacheldraht bewehrten Lagermauer sehen, und deren Anblick ließ keinen Zweifel daran, wo man sich befand. An diesem Augusttag schien eine verschleierte Sonne. Lagerplatz und-straße waren menschenleer. Außer dem ,, Mama" des Papageis hörte man nichts. Da sah ich die ersten deutschen Lagerhäftlinge. Sie kamen in Reih und Glied die Straße heruntermarschiert. Eine Frau sah aus wie die andere. Jede trug ein schneeweißes Kopftuch straff nach hinten gebunden und über einem breitgestreiften, halblangen Kleid eine dunkelblaue Schürze. Alle waren barfuß, nur neben der marschierenden Kolonne ging eine in Holzpantinen und kommandierte ,, Hände runter!" ,, In der Reihe bleiben!" Ein Schauer überlief mich. So wirst du jetzt Jahr und Tag leben müssen! ,, Ausrichten! Hände runter! In der Reihe bleiben!"
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Da heulte plötzlich in unserer Nähe eine Sirene. Wie sollte ich diese Sirene noch hassen lernen! An diesem ersten Tag rief sie zum Mittag. Mit einem Schlage veränderte sich das Bild auf Platz und Lagerstraße. Von allen Seiten strömten marschierende Frauenkolonnen herbei: da kamen sie mit geschultertem Spaten, alle in Fünferreihen, die Arme im Takt der Schritte schwenkend und unbeschreiblich sle sangen, sangen irgendwelche Soldatenlieder, während Aufseherinnen kommandierten und die Wolfshunde sie umbellten. Der Platz hallte wieder von Kommandos und Gekläff.
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Nach der Aufnahme, in der Schreibstube, wurden die Kleider weggenommen, und dann begann eine gefürchtete Prozedur; die Suche nach
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