eventuellen Kopfläusen. Diese Funktion verrichteten zwei Bibelforscherinnen, von denen eine Emmi hieß. Sie forderte mit süßlichem Lächeln die Frauen auf, Platz zu nehmen, und dann durchforschte sie voller Eifer die Köpfe, und wehe, wenn sie auch nur Spuren ehemals vorhandener Läuse oder etwa gar frische Nissen fand! Erbarmungslos kamen die Haare herunter. Ich hatte Gelegenheit, Emmi durch Jahre in ihrem Amt zu beobachten. Das Haareabschneiden war ihr zur Lust geworden. Je inbrünstiger eine Frau bettelte und flehte, je schöner und üppiger deren Haar war, mit umso teuflischerem Eifer setzte Emmi, die Zeugin Jehovas , ihre Haarschneidemaschine an und machte aus einem lieblich umlockten Haupt einen traurigen Glatzkopf. Bei mir fand sie erstaunlicherweise keinen Anlaß zur Rasur.
SS- Arzt Dr. Sonntag, 1,90 lang, in hohen Stulpenstiefeln und mit Reitpeitsche, erschien zur Aufnahmeuntersuchung. ,, Antreten!" Fünfzig nackte Frauen standen in langer Schlange. Manche verdeckten sich mit dem Handtuch. Die Prostituierten kicherten ermunternd. Einzeln trat man vor den SS- Arzt. Der kommandierte:„, Mund auf!" und leuchtete mit einer Taschenlampe in den Schlund. Dann: ,, Warum sind Sie hier?" Ich kam an die Reihe und antwortete:„ Politisch!" ,, Aha, das richtige Flintenweib! Ab!", und er schnippte mit der Reitpeitsche nach meiner Wade... Fertig war die ärztliche Untersuchung, und die Häftlingsgarnitur wurde uns ausgehändigt: Hemd aus derbem Nessel, Hosen mit lächerlich langen Beinen, ein Zebrakleid, blaue Schürze und ein weißes Kopftuch. So aufgeputzt marschierten wir fünfzig barfuß unter den Kommandos: ,, In der Reihe bleiben!" ,, Hände runter!" über die Lagerstraße bis zum Block 16, der Zugangsbaracke.
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Ich stand mit den fünfzig Neulingen vor der Baracke und rieb die Fußsohle des einen Beines gegen die Wade des anderen, um die spitzen Steinchen abzustreifen, die in die empfindliche Haut gedrungen waren. An der Barackentür erschien die Block älteste mit Namen Minna Rupp. Mit rauhem Ton rief sie in schwäbischem Dialekt die Namen auf, und wir traten zwei und zwei in den Korridor von Block 16. Jeder Zugang erhielt Schüssel, Teller und Becher aus Aluminium, Messer, Gabel und Löffel, dann ein Zahnglas, dann ein Körper- und ein Geschirrhandtuch. Aber das war noch nicht alles! Das Schuhputzzeug darf ich nicht vergessen. Wir gingen zwar vorläufig barfuß, doch Ordnung mußte sein. Mit all diesen Schätzen im Arm betraten wir den Tagesraum. Dort saßen an zehn weißgescheuerten Tischen lauter solche gestreifte Wesen, teils mit Haaren, teils ohne und strickten an feldgrauen Strümpfen. Ein modriger Geruch nach gescheuertem und schlecht getrocknetem Holz erfüllte den Raum. Bei unserem Eintreten war es still geworden, aber nachdem man uns gemustert hatte, ging die summende Unterhaltung wieder an. Da brüllte dicht neben uns die Blockälteste mit einer Stimme,
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