hätten. Alle in ihrer Zelle hätten für Sowjetrußland optiert. Es waren polnische Kommunistinnen. Eine von uns meinte: ,, Wäre es eigentlich nicht unsere Pflicht, sie zu warnen?" und wir begannen mit einigen von diesen Frauen über unser Schicksal zu sprechen: daß auch wir einmal als kommunistische Emigranten nach Rußland gekommen seien und was dann alles mit uns geschehen war. Von diesem Augenblick an wandten sie sich brüsk von uns ab. In den nächsten Tagen mieden uns alle in dieser Zelle, als seien wir mit einem Aussatz behaftet.
Von Zeit zu Zeit gab es im Lubliner Gefängnis Besichtigung. Die Aufseherinnen machten uns rechtzeitig Mitteilung davon, und wir wußten schon Bescheid, wie man sich zu verhalten habe. Ein lautes ,, Achtung!" erschallte durch den Korridor, und dann standen wir in einer Reihe in der Zelle. Eine meldete: ,, Zelle 43, belegt mit sieben Deutschen !"
Wir kamen uns wie in einem Zoo vor. Meistens waren die Besichtiger geschniegelte deutsche Offiziere, die uns anglotten. Einmal hatten einige von ihnen ihre Gattinnen zu dieser interessanten Unterhaltung mitgebracht. Ein hübsches, blondes Mädchen, eine Hannoveranerin, die eine rote Polobluse trug, wurde die Zielscheibe der bissigen Bemerkungen dieser Weiber: ,, Solche Blusen sind wohl in Moskau modern?! Damit wollen Sie wohl Ihre kommunistische Gesinnung zur Schau tragen? Sie scheinen ja immer noch nicht genug davon zu haben?" Da ihnen aber keine von uns antwortete, fand der Monolog bald ein Ende.
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Jeden Tag warteten wir gespannt auf den nächsten Transport aus Moskau . Eine Woche verging, doch kam kein Zuwachs mehr. Alle siebzehn Frauen waren schon beim Verhör gewesen. Wir litten täglich mehr unter Hunger. Die Ernährung im Lubliner Gefängnis bestand aus einer kleinen Portion Brot, kaum 400 Gramm und täglich ,, blauem Heinrich", der obligatorischen deutschen Gefängnis- Graupensuppe. In unserer Zelle war auch eine Russin, die kein Wort deutsch sprach. Ihr Mann, ein deutscher Spezialarbeiter, befand sich nicht unter den Ausgelieferten. Sie nahm ihr Schicksal mit erstaunlichem Gleichmut hin. Den Humor verlor sie nur, wenn kein Tabak mehr vorhanden war. Darum sammelte unsere Zelle Brot, jeder gab ein Stück, und wir tauschten es bei den Kriminellen auf dem Korridor gegen Machorka ein.
Die zweite Woche war vergangen und immer noch kein neuer Transport aus Moskau eingetroffen. Ich wurde noch zweimal zu Verhören geholt, die aber weit oberflächlicher waren als das erstemal. Dann machte man Fingerabdrücke und eine neue Beschreibung.
Alle ausgelieferten Frauen hatten eine vage Hoffnung auf Freilassung, nur ich nicht.
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Die Männer benachrichtigten uns durch die polnische Ärztin, daß ein
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