Und so mochten zwölf Tage vergangen sein, als eines vormittags die Klappe herunterfiel: Klara Vater, Betty Olberg und Buber- Nejman fertigmachen mit Sachen!" Karola war nicht dabei. Wir standen wie ge­lähmt, mit gesenkten Köpfen, unfähig ein Wort zu sagen. Karola ging ein paar Schritte zum Bett und setzte sich langsam nieder.

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,, Sind Sie schon fertig? Es eilt!" rief die Uniformierte, und wir rafften mechanisch unser Zeug zusammen. Als ich Karola umarmte, schluchzte sie: ,, Ich bin verloren Das war das letzte, was ich von ihr hörte. Ich sah sie nie wieder und habe nichts mehr über ihr Schicksal erfahren.

15. DER GESTAPO AUSGELIEFERT

In dem Gang, wo die Zimmer der Untersuchungsrichter lagen, war ein aufgeregtes Hin und Her von Uniformierten. Noch nie hatte ich so etwas in Butirki gesehen. Man sparte sich sogar das Einschließen in einen Sobatschnik. Während man mich in ein Zimmer führte, blieben die beiden anderen einfach auf dem Korridor.

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In diesem Raum standen fünf NKWD - Beamte hinter einem langen Tisch. Einer streckte mir einen Zettel entgegen: ,, Können Sie russisch lesen?" Es war ein vorgedrucktes Formular, die offengelassenen Stellen mit Schreibmaschine ausgefüllt: Das Urteil von fünf Jahren Besserungs­Arbeitslager gegen Margarita Genrichowna Buber- Nejman ist umge­wandelt in sofortige Ausweisung aus dem Territorium der Sowjetunion ." ,, Unterschreiben Sie?" fragte eindringlich der Uniformierte. Wohin wird man mich ausweisen?" ,, Darüber kann ich Ihnen keine Auskunft geben, dazu haben wir jetzt keine Zeit. Unterschreiben Sie!" Und schon führte man Klara Vater herein und drückte ihr einen Zettel in die Hand. Sie konnte nicht russisch lesen. Man holte mich vom Korri­dor zurück: ,, Übersetzen Sie!" Der Text glich dem meinen aufs Wort. ,, Unterschreiben Sie?" Aufgeregt, mit zitternder Stimme, wandte sich Klara Vater abwechselnd an mich und an den NKWD Beamten: ,, Nein, ich will erst mein Kind haben, geben Sie mir mein Kind zurück, dann verlasse ich sofort das Territorium der Sowjetunion , aber erst mein Kind!" Ich übersetzte. Mit der Hand fuchtelnd, antwortete der Unifor­mierte: ,, Dazu haben wir jetzt keine Zeit. Sie bekommen ihr Kind nach­geschickt. Unterschreiben Sie, aber schnell!" ,, Nein, auf keinen Fall!" rief sie verzweifelt.

Die Beamten blickten sich unschlüssig und unsicher an: ,, Dann schreiben Sie sofort eine Eingabe." ,, Ich kann nicht russisch." Man

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brachte uns beide in eine Zelle, und Klara Vater diktierte mir die Ein­gabe: ,, Ich, K. V., bin bereit, sofort das Territorium der Sowjetunion zu verlassen, nachdem man mir mein Kind..... zurückgegeben hat. Es wurde mir im Alter von zwei Jahren am Tage meiner Verhaftung am soundsovielten in Samara weggenommen."

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