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,, Schweigen Sie, wir wissen genau
so etwas getan!" flötete Karola. Bescheid!" und bums flog die Klappe zu.
,, Menschenskinder, jetzt wird uns aber was blühen! Für Kassiber und Nachrichtenübermittlung ist Dunkelarrest das mindeste. Bei uns haben sie's leichter, da müssen sie nicht erst feststellen, wer's gemacht hat. Da kommen einfach alle vier in Arrest!"
Wir warteten einen Tag, zwei Tage, drei Tage, und nichts erfolgte. ,, Sonderhäftlinge" dürfen eben nicht angetastet werden.
In diesen Tagen hatte sich überhaupt manches Erstaunliche ereignet. Gleich am zweiten Vormittag holte man uns vier Frauen aus der Zelle und brachte uns zu einem Friseur, in einen zu diesem Zweck provisorisch eingerichteten Raum. An der Wand hing sogar ein Spiegel. War das ein seltsames Gefühl, vor einem Spiegel zu sitzen und frisiert zu werden! Karola und Betty Olberg, die beiden Geschorenen, bekamen einen flotten Herrenschnitt. Da kehrte uns das Lachen zurück, trotz aller Niedergeschlagenheit. Wir fuhren uns mit der Hand über den frisch rasierten Nacken und begutachteten uns gegenseitig. ,, Jetzt scheint es doch ernst zu sein, wozu müßten wir sonst frisiert werden? Für Sibirien sicher nicht", argumentierten wir.
Und von neuem erwachten unsere Hoffnungen. Selbst Karola konnte sich dem nicht entziehen. Wieder begannen wir zu singen, machten Dauerlauf um den Tisch herum, weil wir die große Zelle nicht erwärmen konnten und lagen nachmittags gut zugedeckt in den Betten, zwischen uns ein Schachbrett, und bekämpften uns leidenschaftlich.
Dann kam die nächste Überraschung. Einzeln führte man uns in einen Raum, der vollgestopft war mit Kleidern, Wäsche, Schuhen, Pelzmänteln für Männer und Frauen. ,, Was benötigen Sie an Kleidungsstücken?" und noch bevor ich antwortete, nahm mir ein Beamter die Lagersachen weg, gab mir Schuhe, eine Pelzmütze, Handschuhe usw. Mein einziger Gedanke war: ,, Da wollen sie die Menschen draußen glauben machen, daß wir in Pelzen aus dem sibirischen KZ kommen!" In der Zelle amüsierten wir uns lange mit den meist altmodischen Kleidungsstücken. Und wieder schien es uns ein Beweis, daß wir der Freiheit ein Stück näher gekommen waren.
Mein Bett stand neben dem von Karola. In diesen wenigen Wochen waren wir Freunde geworden. Von früher kannten wir uns nicht. Nur auf der Bühne hatte ich Karola gesehen, als Haitang im ,, Kreidekreis" und später in der ,, Dreigroschenoper ". Jetzt schien sie mir noch schöner zu sein als damals. Sie machte Zukunftspläne:„ Vielleicht werde ich wieder mit Bert Brecht zusammenarbeiten." Dann erzählte sie von früher, von ihrer ersten Ehe mit dem Dichter Klabund , als sie noch in München lebte, ganz jung war und eben ihre Bühnenlaufbahn begann. Einmal sprach sie uns die Marion aus ,, Dantons Tod" vor.
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