sie sich jetzt wirklich sparen!" dachte ich gereizt. Schon nach einigen Minuten wurde wieder aufgeschlossen, und der Soldat führte mich zu einer Tür mit Klinke und befahl mir, mein Bündel vor der Tür liegen zu lassen. Im Zimmer saßen zwei NKWD Offiziere, die mich freundlich aufforderten, Platz zu nehmen. ,, Wie geht es Ihnen gesundheitlich? Fühlen Sie sich wohl? Haben Sie sich gut erholt?" fragte in väterlichem Ton der eine. Dann blätterte er in irgendwelchen Papieren herum, die vor ihm auf dem Tisch lagen. ,, Haben Sie Verwandte im Ausland?" Also haben wir uns doch nicht getäuscht! ,, Ja! Eine Schwester in Paris . Ich bin im Besitze eines französischen Ausreisedokumentes..." Er unterbrach mich mitten im Satz:„ Welche Ihrer Angehörigen leben in Deutsch land ?" ,, Sagen Sie bitte, was geschieht mit mir?! Wo werde ich hinkommen?!" stieß ich hervor. ,, Darüber kann ich Ihnen jetzt keine Auskunft geben. Das werden Sie noch früh genug erfahren!" Und schon schob mich der eintretende Soldat zur Tür hinaus und beförderte mich in den ,, Sobatschnik". Mein Bündel mußte er mir nachtragen, ich hatte
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es ganz vergessen.
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Verdammtes Pack! Was soll das wieder bedeuten?! Warum geben sie keine Auskunft?! Kaum zehn Minuten später gingen wir alle drei mit der Aufseherin zurück zum bekannten Korridor, und die Zellentür, vor der wir damals die blanken Eimer gesehen hatten, wurde aufgeschlossen. Von den Betten war nur eins heruntergeklappt, und darin lag weinend Karola Neher.
,, Was ist denn mit dir passiert?!" Vor zehn Tagen hatte man Karola vor die gleiche„ Kommission" geführt wie uns drei. Es wurden ihr die gleichen Fragen gestellt. Dann aber fragte der eine Offizier ganz unvermittelt: ,, Wollen Sie für uns arbeiten? Wollen Sie für die NKWD tätig sein?" Karola traute ihren Ohren nicht. Nachdem sie als„ trotzkistischer Kurier" zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt worden war und schon drei Jahre gesessen hatte, nach alldem sollte sie für die NKWD arbeiten? Russische Spionin werden?„ Nein, niemals! Wo denken Sie hin, ich komme aus dem Zuchthaus!" lehnte sie erregt ab. ,, Bitte, beruhigen Sie sich, Bürgerin Neher! Vielleicht überlegen Sie sich's doch noch einmal?"
Man führte sie hinaus in irgendeine unbekannte Abteilung von Butirki und sperrte sie in eine Einzelzelle, in der die Zentralheizung abgestellt war. Sie erhielt kein Essen, keine Matratze, keine Decke. Nach drei Tagen heizte man, brachte gute Speisen und reichte ihr ein Daunenkissen herein. So ging es bis zum zehnten Tag. Da wurde sie wieder vor die beiden NKWD Offiziere geführt, die die gleiche Frage wiederholten. Karola lehnte ab: ,, lch eigne mich nicht für solche Tätigkeit."
Dann kam sie in die Zelle, wo wir sie fanden. Wir saßen um ihr Bett herum. Keiner dachte mehr an kommende Freiheit. Wie konnte man nur
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