von uns absondern muß?" war die beunruhigende Frage. ,, Eins steht aber fest, die nächsten, die aus der Zelle gerufen werden, sind verpflichtet, im Waschraum, denn sie befinden sich dort auf dem gleichen Korridor, eine Nachricht zu hinterlassen." Wir bestimmten in der Toilette eine schwarze Kachel an einer geschützten Stelle der Wand zur Übermittlung der Nachrichten und probierten aus, ob man mit Seife Geschriebenes lesen könne. Es ging ausgezeichnet.
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Am nächsten Tag waren wieder drei Frauen an der Reihe, unter ihnen Karola Neher. Wir nahmen fröhlich Abschied: ,, Auf Wiedersehen in der Freiheit!" Gespannt erwarteten wir am nächsten Morgen eine Nachricht in der Toilette nichts, die Kachel war blank, schwarz und unberührt. Das ist unverständlich! Karola würde doch nicht zu feige sein, eine Mitteilung zu machen! Ob man es gleich gemerkt und säuberlich abgewischt hat?" Um uns zu vergewissern, daß sich die drei auch in der bewußten Zelle befanden, husteten wir laut beim Zurückgehen über den Korridor. Und richtig! Eine Stimme antwortete, aber nicht die von Karola.
Einige von den zwanzig Frauen in der Zelle erholten sich nur sehr langsam. Am schwächsten war wohl Betty Olberg. Sie wog noch ganze fünfundsiebzig Pfund. Aber auch Wally Adler blieb blaẞß und leidend. Bei unseren Unterhaltungen deutete sie an, daß sie viele schwere Verhöre hinter sich habe. Die NKWD beschuldigte sie des Trotzkismus . Ihre Anklage basierte auf der Behauptung, Wallys Eltern hätten im Ausland Trotki getroffen und Wally habe dann über die Eltern mit Troŋki in Verbindung gestanden.
unter uns
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Unsere Ungarin, Frau Fekete, die einzige nicht ,, Reichsdeutsche" spezialisierte sich auf Kopfwaschen. Mit unermüdlicher Liebenswürdigkeit verschönerte sie uns. Allmählich erwachten längst vergessene Eitelkeiten, wie Augenbrauenauszupfen, Gesichtsmassage und Lockendrehen. Man mußte sich doch auf die Freiheit vorbereiten! Gymnastikerinnen gab es auch unter uns, und ich erinnere mich an einen köstlichen Ausspruch Karolas, als sie mit besorgtem Gesicht unsere immer runder werdenden Formen betrachtete: ,, Mit einem üppigen Hinterteil kann eine Frau nie tragisch wirken.
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Zehn Tage, nachdem Karola und die beiden anderen Frauen die Zelle verlassen hatten, wurden Betty Olberg, Klara Vater und ich aufgerufen. Das war ein lustiger Aufbruch. Beim Abschied bat mich Zenzl Mühsam : ,, Wenn du wirklich ins Ausland kommst, gib bitte sofort holländischen Freunden von mir, Apotheker de Wit in Enkhuizen , eine Nachricht und berichte alles, was du über mich weißt."
Dann gingen wir zu dritt mit der Aufseherin durch Korridore über ein paar Treppenstufen in einen anderen Flügel des Gefängnisses, und dort sperrte man uns, jede einzeln, in einen„ ,, Sobatschnik". ,, Das könnten
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