ein Handtuch und eine Flasche mit Saberdylessig gegen die Kopfläuse herein. Ich genoß die uneingeschränkte Menge heißen Wassers, wusch den sibirischen Dreck herunter und empfand Butirki als einen paradie­sischen Aufenthalt. Wie oft hatte ich mich in Burma heiß nach hierher zurückgesehnt. Was wollte ich denn eigentlich mehr? Dieser Wunsch war doch in Erfüllung gegangen? Die Tür des Bades wurde aufgeschlossen und ein schneeweißes Männerhemd und eine Unterhose auf die Bank gelegt. Was, in Butirki gibt es jetzt Wäsche? Sowas kommt in Sowjet­Rußland vor?

Es war gegen zehn Uhr abends, als wir drei, blütensauber ein­gekleidet, mit unseren von der Brenne" noch warmen Bündeln durch die altvertrauten Gänge von Butirki geführt wurden, wieder wie damals beim Geklapper des Vierkants auf das Koppelschloß durch die Korridore, WO es noch immer ebenso nach kaltem Tabak und Mief roch; viele Zwischentüren wurden aufgeschlossen, im gleichen Gang wie 1938 öffnete die Aufseherin eine Zelle, und im Dämmerlicht der Verdunklung sahen wir und wollten unseren Augen nicht trauen da, wo sich 1938 hundert­zehn Frauen auf den Brettern gedrängt hatten, standen fünfundzwanzig schneeweiß bezogene Betten mit Decken und Kopfkissen. Eine Frau stieg aus dem Bett und kam auf uns zu:, Woher kommt ihr denn?" fragte sie in schlechtem Russisch. ,, Gerade aus Sibirien ." Deutsche?"

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,, Seid ihr ,, Ja." Wir alle hier in dieser Zelle." Sie kam ganz nahe heran und blickte uns in die Gesichter, weil man bei der blauen Beleuchtung kaum etwas erkennen konnte., Wer seid ihr eigentlich?" Wir nannten unsere Namen. Mittlerweile war ein Teil der Schlafenden erwacht, sie richteten sich auf, riefen von allen Seiten, sprangen aus den Betten, und ich umarmte alte Bekannte. Da war Roberta Gropper , Hilde Löwen, Zenzl Mühsam , Karola Neher , Wally Adler, Betty Olberg, im ganzen dreiundzwanzig Frauen, die man aus Zuchthaus, Untersuchungs­haft oder Lager nach Butirki zurückgebracht hatte. Wir waren die ersten drei aus einem sibirischen Konzentrationslager.

,, Was in aller Welt ist denn hier in Butirki los? Weiße Betten, Wäsche, keiner flüstert mehr. Ihr springt in der Nacht in der Zelle her­um, und keine Klappe geht, keine Zellenstrafe wird angedroht? Aber wozu seid ihr alle hierher gebracht worden?" Die Fragen überstürzten sich. ,, Wir wissen nicht, was aus uns wird, aber wartet nur bis morgen früh, dann werdet ihr die Augen aufsperren. Dann werdet ihr sehen, was man mit uns in Butirki aufführt!"

Zenzl Mühsam , die Zellenälteste, gab jedem von uns ein Bett, und erst spät in der Nacht kamen wir vor Aufregung zur Ruhe. Außerdem mußte man sich erst an ein Bett mit Matratze gewöhnen. Das ist gar nicht einfach nach zwei Jahren Brettern.

Der nächste Morgen begann nicht etwa um halb vier Uhr. Erst gegen sechs Uhr rief man: ,, Prigatowtje k oprawku!" Das war ein Erwachen!

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