Wie alle Moskauer Bahnhöfe war auch dieser gestopft voll Men­schen. Darunter viele schlecht gekleidete, die von den Dörfern, wo sie keine Lebensmöglichkeit mehr hatten, in die Städte strömten. Und da sie hier kein Zimmer fanden, lagen sie in den Wartesälen herum. So lange wir still auf der Bank gesessen hatten, hatte man uns kaum be­merkt, aber als dann die beiden NKWD Soldaten zurückkehrten und uns mitten durch die Halle zum Hauptportal des Bahnhofes hinausführten, blieben die Menschen erstaunt stehen und blickten auf unsere Gruppe. Vor dem Hauptportal ein Schauer überlief mich wartete der ,, Schwarze Rabe" der Gefängniswagen. Und das nach dieser Reise, auf der wir uns schon kaum noch als Häftlinge gefühlt, vor Freude zitternd auf Freiheit gehofft hatten?!

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Wie kommt es nur, daß man solche Schläge, so grause Ent­täuschungen, solche Stürze ins Bodenlose überwinden kann, daß man sich als Häftling so schnell wieder fängt?

Der ,, Schwarze Rabe" fuhr mit Schwung um die Ecke. Man hatte uns nicht in die Kästen eingeschlossen, wir standen im Gang, und unsere junge Begleiterin begann erbärmlich zu kotzen. Es war selbst für ihren sibirischen Magen zuviel Speiseeis gewesen.

Als wir ausstiegen und endlich um uns sahen, erkannten wir den Hof des politischen Untersuchungsgefängnisses Butirki. Wir waren da wieder angekommen, wo der Jammer begonnen hatte.

Es war im Januar 1940. In den Gängen und Zellen von Butirki brannten dunkelblaue Glühbirnen, eine gespenstische Beleuchtung. Die Gesichter hatten die Farbe von Wasserleichen.

Wieder ging es durch den ,, Wogsal"( Bahnhof), wo man aus der Freiheit ankommt und dann später hinausgeht für fünf, zehn oder fünf­zehn Jahre nach Sibirien .

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In der Aufnahmezelle war normale Beleuchtung. Nachdem wir den üblichen Schein ausgefüllt hatten, fragte uns eine Aufseherin: ,, Sind Sie Raucher oder Nichtraucher?", Wie bitte?" ,, Ob Sie Zigaretten rauchen?" Ich faẞte mich am schnellsten: Ja, alle drei!" Sie schrieb mit Tinte auf den Kopf jedes Formulars Raucher". ,, Was hat denn das nur zu bedeuten? Seit wann interessiert sich denn die NKWD für unsere Laster?" Die Beamtin kehrte zurück und forderte uns freund­lich auf, mitzukommen.

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, Werden wir entlaust? Das wäre dringend notwendig." selbstverständlich, Sie kommen in Einzelbäder."

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,, Aber

Ein kleiner Raum mit einer Bank, daneben das Bad mit Fliesen an den Wänden und in der Ecke, unter zwei Wasserhähnen, eine Zink­schüssel, so sah das Einzelbad aus. Ohne ,, dawaj", ohne ,, schneller, schneller" nahm die Aufseherin alles Verlauste entgegen, reichte Seife,

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