Nachmittags wurden wir drei aufgerufen wir gehörten also zu- sammen und zum Fotografieren und Fingerabdruck geführt. Mit um- gehängter Nummer& la Verbrecher, von vorn und im Profil und dann Fingerabdrücke. Nicht nur den Daumen und Zeigefinger, nein, die Hand- flächen beider Hände. Gründlichkeit kann nie etwas schaden! Wir waren wütend, weil man die Farbe ohne Seife nicht wieder von den Händen kriegte. Aber nun hatten wir kaum noch Zweifel: das bedeutet auf alle Fälle fort vom Lager Karaganda . Das waren die Abschiedszeremonien. Und dann kam die endgültige Bestätigung, man rief uns zum Natschalnik. Der hatte einen Bogen Papier vor sich mit vorgedruckten Fragen. Haben Sie irgendwelche Gesundheitsschäden im Besserungs-Arbeitslager Karaganda erlitten? war die erste Frage nach dem üblichen; Vor-, Vaters- und Familiennamen, Häftlingsnummer, Straftat usw.Nein, ich bin völlig gesund.Welche Arb£iten haben Sie im Laufe Ihrer Haft ausge- führt? Ich zählte eine ganze Reihe auf. Er schrieb.Haben Sie irgend- welche Beschwerden vorzubringen? ,Nein. Ich hatte die Antwort auf mein Protestschreiben an das Oberste Gericht kennengelernt. Das genügte mir.Unterschreiben Sie bitte.Werde ich aus dem Lager entlassen?Darüber kann ich Ihnen keine Auskunft geben. Ich unterschrieb und wartete dann auf dem Korridor, bis die beiden anderen fertig waren. Was hat das zu bedeuten? Wenn ich nur wüßte, ob man mit Transporten in andere Lager auch soviel Umstände macht. Es handelte sich doch sichtlich um irgendeine Abmachung mit den Deutschen . Vielleicht sammelte man sie nach dem Freundschaftspakt in besonderen Lagern? Aber wozu eigentlich?

Auf dem Korridor standen und hockten viele Wartende. Alles Zu- gänge, die noch an die Wirksamkeit von Eingaben und Beschwerden glaubten. Neben mir lehnten zwei Jungen im Alter von fünfzehn oder sechzehn Jahren. Sie hatten keine Bjesprisornij-Gesichter. Ich wollte so gerne wissen, was mit ihnen los war und fragte:Seid ihr Zugänge? Ja, tjotje(Tante).Was wollt ihr denn beim Natschalnik? Fragen, ob man nicht erfahren kann, wo der Vater geblieben ist. Seid ihr als Familienmitglieder verhaftet worden?Ja, antwortete der eine mit heruntergezogenen Mundwinkeln.Wieviele Jahre denn? Drei. Ich hätte gern mehr gewußt, aber die Jungen waren wortkarg und niedergeschlagen, gar nicht zu einem Gespräch aufgelegt. Wer konnte ihnen das auch verdenken!

In der Frauenbaracke hatte sich herumgesprochen, daß die drei Deutschen auf Transport gingen, vielleicht zur ‚‚Peresmotrenje, vielleicht sogar in die Freiheit. Die Sachverständigen, es gibt immer solche, die alles ganz genau wissen, meinten zwar, daß man vom Sammelpunkt aus niemals entlassen würde, sondern nur über Dolinki, den Verwaltungs- punkt von Karaganda , aber möglicherweise verfuhr man mit den Aus- ländern anders.Habt ihr unterschreiben müssen, mit niemand über das

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