nun mein Freund und heizte den ,, Titan " und teilte ohne Flüche, nach Recht und Gerechtigkeit, das heiße Wasser an die Insassen des Straf­blocks aus.

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Schneesturm! Man hatte vom Kipjatokhäuschen zu den Baracken ein Seil gespannt, an dem man sich vorwärtsziehen mußte, um nicht von der Gewalt des Sturmes mitgerissen zu werden. Die Mittagszeit war schon vorüber, und wir hatten weder Suppe noch Brot bekommen, weil der Ochsenwagen in diesem Sturm nicht vorwärts kam. Draußen heulte die gleichmäßige Melodie des Orkans. Wir lagen auf den Brettern, mußten nicht arbeiten und waren glücklich, denn Tamara erzählte Geschichten. Heute war es die Puschkin'sche Erzählung ,, Schneesturm". Tamara war wirklich eine Künstlerin.

Manchmal ging eine zur Tür, um zu kontrollieren, ob wir noch hinaus könnten, aber diesmal häufte sich die Masse des Schnees auf der anderen Seite der Hütte an, er raste über den Platz vor der Baracke, man konnte nicht fünf Meter weit sehen und es war kaum möglich zu atmen.

Drinnen aber sangen wir, und es gab ein Lied, das bei allen Häft­lingen sehr beliebt war. Das stammte von den, Bjesprisornijs", jenen elternlosen Kindern, die es nach Krieg, Revolution und Hungersnot massenweise in Rußland gegeben hatte. Einen Vers sang man mit be­sonders schmerzlichem Gefühl: ,, Und sterbe ich, und sterbe ich, begrabt mich irgendwo, und niemand wird dann wissen, wo mein kleines Grab liegt." Durch einen Zugang erfuhren wir, daß es im Lager Karaganda besondere Abschnitte für Jugendliche gab, also für jene Bjesprisornijs", von denen man sowohl in Sowjetrußland als auch im Ausland annahm, daß sie in vorzüglichen Kinderheimen untergebracht seien, einen Beruf erlernten, und deren Umschulung als besonderer Beweis der erziehe­rischen Tüchtigkeit der Sowjetpädagogen hingestellt wurde. Ich erinnere nur an den Film Der Weg ins Leben". Aber dieser Weg endete in Wirklichkeit für Tausende solcher Kinder im Konzentrationslager.

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Die Frau, die aus einem Jugendabschnitt zu uns kam, berichtete, daß die Zustände dort ungeheuerlich seien. Es wäre nicht möglich, mit seiner Konservenbüchse voll Suppe und der Brotration von der Küchenbaracke in seinen Block zu kommen, ohne daß aus dem Hinterhalt plötzlich ein kleiner Bengel hervorgestürzt käme, im Vorbeirennen die Konserven­büchse und das Brot wegriß und verschwand.

,, Ich danke meinem Schöpfer, daß ich wieder unter Menschen bin", beendete sie ihre Erzählung.

Eines Tages, im Dezember 1939, wurde ich nach der Arbeit aus der Baracke gerufen. Ein Beamter aus der Verwaltung stand im Raum des Strafblock- Natschalniks und fragte mich: ,, Wollen Sie im Büro der Rayon­verwaltung arbeiten?"- ,, Ja, aber werde ich denn aus dem Strafblock

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