Das Krankenhaus war sehr überfüllt, überall auf dem Korridor lagen Kranke, doch hatte jeder sein Bett. Die Betten hatten sogar Laken, und man bekam ein Hemd und eine Hose als Wäsche. Leider erhielt man sie zwar gewaschen, aber schon mit neuen Läusen versehen. Außer den Brzelosekranken waren erstaunlich viele Syphilitiker dort. Überhaupt waren in Burma Geschlechtskrankheiten sehr verbreitet, obgleich man die sogenannten unheilbaren Fälle in besondere Abschnitte für Geschlechtskranke abschob. An der Tür des Ambulatoriums war ein Zettel angeschlagen: Montags: Spritze, Dienstags: Einreibung usw. und als Überschrift: ,, Wochenplan für Lueskranke". In der Mittagszeit, wenn Behandlung war, standen sie in langen Schlangen an.
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Eines Tages besuchte mich Tasso Salpeter im Krankenhaus. Das war natürlich streng verboten, doch sie kümmerte sich nicht darum. Sie brachte mir die neuesten Nachrichten aus dem„, freien" Lager und vom Krieg in Europa . ,, Was hältst du vom russisch- deutschen Freundschaftspakt?" fragte ich. ,, Hat dich das auch nur einen Augenblick gewundert? Stalin hält Hitler den Rücken frei, damit er mit Frankreich , Belgien und Holland fertig werden kann. Das hätte er doch bei zwei Fronten niemals wagen können. Und was wird aus uns? Werden wir jemals lebend hier rauskommen?" Wie gut Tasso trösten konnte:„ Nazarenko, der zu 15 Jahren verurteilt war, ist amnestiert worden, vielleicht kommen wir auch dran. Zwar werde ich dann eine Glatze haben und keine Zähne mehr, aber, nitschewo! Nur Tiflis noch einmal sehen!" Sie zeigte mir ihre spärlich gewordenen schwarzen Zöpfe und wie ihre prachtvollen Zähne alle wackelten.
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Nach drei Wochen wurde ich aus dem Krankenhaus entlassen. Dem Lagerarzt in Burma habe ich mein Leben zu verdanken. Nicht nur seine Fürsorge während der Krankheit hat mich gerettet, er stellte mir auch noch einen Schein aus: Wegen allgemeiner Schwäche nicht mehr für schwere körperliche Arbeit zu verwenden", und gab mir außerdem einen Antrag auf Zusatzernährung und auf ,, Innendienst" für 14 Tage mit. So kam ich zurück in den Strafblock, erhielt einen Platz auf den Brettern in einem Raum, in dem eine alte Tolstojanerin ,, Newalnaja" war und traf alle meine alten Freunde aus der Brigade wieder, die inzwischen in den Rayon zurückgekehrt waren. Trotz der Überfüllung des Strafblocks hatten sie es fertig gebracht, einen Raum von Kriminellen und Asozialen freizuhalten. Das war ein schwerer Kampf gewesen. Bei meiner Rückkehr gab man mir einen Zettel von Dsagnidse:„ Lebewohl und vergiẞ mich nicht! Ich werde heute auf einen Invalidenabschnitt transportiert.“
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