Zwar auf unmöglichen Brettern, eine richtige Berg- und Talbahn, aber doch nicht mehr auf dem dreckigen Lehmboden, den Flöhen zum Fraẞ. In dieser Höhle brannte keine Petroleumfunzel, und nach der ersten Nacht war ich mir über die Bestimmung dieses Zimmers klar: es war der Raum der Liebe, nicht nur während der Nacht, auch tagsüber. Ein großer Teil der Kriminellen ging nicht zur Arbeit. Es bestand darüber ein stilles Übereinkommen mit dem Natschalnik des Strafblocks und wohl auch mit dem Feldscher .
Einmal sah ich bei einer Kriminellen eine Menge Narben auf der Brust und fragte sie: ,, Woher hast du denn das, warst du krank?" ,, Aber", antwortete sie stolz ,,, das hat Kolja mit einer Rasierklinge gemacht, aus Eifersucht, so sehr ist er in mich verliebt!"
Einmal wurde ich in eine Kolonne eingeteilt, die angefrorene Kartoffeln aussortieren mußte. Wir standen im Kartoffelkeller und wühlten in den eisigen, matschigen Haufen herum. Neben mir arbeitete eine Kriminelle. Nach einiger Zeit hatte sie wahrscheinlich keine Lust mehr oder war gereizt durch diese eklige Beschäftigung. Da trat sie mich gegen das Bein. Ich nahm an aus Versehen: ,, Nimm dich ein bißchen in acht!" sagte ich ohne Gereiztheit. Und schon kam der nächste Tritt, wohlgezielt gegen das Schienbein. ,, Bist du verrückt geworden, dir ist wohl nicht gut!" Und schon bekam ich eine ins Gesicht. Ich gab ihr einen Schlag zurück, und wir waren in die schönste Prügelei verwickelt. Von allen Seiten stürzte man hinzu und riẞ uns auseinander: ,, Greta, bist du wahnsinnig, dich mit einer Kriminellen zu prügeln!" An diesem Tag hatten wir einen politischen Brigadier, der natürlich genau wußte, daß ich die Schlägerei nicht begonnen hatte. Er nahm die Kriminelle beim Schlafittchen und überhäufte sie mit Flüchen. Da warf sie sich auf den Boden und bekam einen hysterischen Anfall, kreischte, daß es nur so durch den Keller hallte. ,, Schleppt die hysterische Kuh an die Kellertür, damit sie wieder zu sich kommt!" rief der Brigadier, und man trug sie die Kellertreppe hinauf. Ich stand im halbdunklen Gang, ganz betreten, was ich da angerichtet hatte. Da kam durch den Keller eine Frau auf mich zugerannt, und noch bevor ich zu irgendeiner Überlegung kam, bekam ich einen wohlgezielten Schlag aufs Nasenbein, daß mir grün und blau vor Augen wurde. Gereizt stürmte ich auf die Angreiferin los und gab ihr einen festen Hieb zurück. Die zweite Keilerei war im Gange. Meine unbekannte Feindin stieß hervor: ,, Ich werde dich töten, du Dreckmensch", und die Politischen hielten mich am Kragen fest, um weiteres zu verhindern. ,, Du weißt nicht, was du angerichtet hast, das ist Tanja, die beste Freundin von Dshura und die gefährlichste im ganzen Lager. Wenn sie droht, sie wird dich töten, so tut sie es auch!" Mir war zwar nicht zum Lachen zu Mute, aber das schien mir doch etwas übertrieben. Die Politischen beschlossen, daß ich von jetzt ab nicht mehr allein abends nach der Arbeit
116


