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Mir war gar nicht nach Entlassung und Freiheit zu Mute, und als das Lastauto sich in der Dunkelheit Burma näherte zuerst leuchteten die Lichter des Krankenhauses auf, dort brannten Petroleumlampen hatte ich nur einen Wunsch: noch einmal im Leben in einem Bett zu schlafen, einmal ohne Wanzen, Flöhe und Läuse zu sein. Das Lastauto hielt vor dem Strafblock, man führte mich hinein, kein Mensch nahm von meinem Kommen Notiz. Ich zerbrach mir den Kopf, was das wohl zu bedeuten habe. Ging zum Natschalnik, immer noch dem gleichen Ver­brecher von früher: Das ist nicht meine Angelegenheit! Warten Sie, bis man Sie ruft."

Die Frauenbaracke war überfüllt. Auf dem glitschigen Lehmboden in der Ecke eines Raumes, in dem hauptsächlich Verbrecher waren, schmiẞ ich meinen Sack hin und hockte mich darauf. Lauter unbekannte Ge­sichter. Der kleine Lehmofen sprühte vor Hitze. Da merkte man gleich, daß die Bewohner dieses Raumes gute Beziehungen zur Kohlenausgabe hatten. Mir gegenüber, auf den Brettern, lag eine Kriminelle, die an­scheinend die Primadonna ihrer Zunft war. Sie bettete ihr Haupt sogar auf zwei Sofakissen, die mit Stickerei von ungewöhnlicher Scheuẞ­lichkeit verziert waren. Eine Reihe anderer Krimineller bedienten sie unterwürfig. Auf dem Ofen kochten in Konservenbüchsen geklaute Kar­toffeln. Der Raum war voller Wasserdampf, und das Gekeife wollte nicht abreißen. Da sangen welche mit versoffenen Stimmen; ich konnte immer nur den Refrain verstehen: Wenn die Fresse nicht zerkloppt ist, gleichst du keinem Banditen. O, warum hat uns die Mutter geboren!" Vor der Tür zum Nebenraum hing ein alter Sack. Ich staunte, mit welcher Selbst­verständlichkeit kriminelle und asoziale Männerhäftlinge ein- und aus­gingen. Die Hitze im Raum war unerträglich. Die Frauen gingen in Büstenhaltern und Höschen umher und produzierten sich mit ihren Täto­wierungen. Über den Busen der einen flog eine Taube mit einem Brief im Schnabel, auf jedem Schulterblatt hatte sie einen überhandgroßen Männerkopf. Da konnte man auf den Schenkeln Inschriften lesen, wann sie mit Wassja geschlafen hatte und Beteuerungen, daß sie ihn nie ver­gessen werde, und auf dem Unterarm stand etwa: Mamachen, ich ge­denke immer dein!" Von einer, die selbst in der Badestube ihr schwarzes Höschen nicht ablegte, wurde behauptet, daß sie eine solche Tätowierung auf dem Bauch habe, deren selbst sie sich schäme. Da wurde kaum ein Satz gesprochen, der nicht mit einem Fluch begann oder endete. In der ersten Nacht in meiner Ecke ernährte ich mindestens fünfzig Flöhe. Am Morgen torkelte ich wie trunken zur Arbeit. Meinen Sack gab ich einer alten politischen Newalnaja zur Aufbewahrung, um die letzten Habselig­keiten zu retten. Selbst im Vorraum, der noch keine Türen hatte, lagen die Frauen wie Heringe. Nach einigen Tagen erfuhr ich, daß in dem hintersten Raum, vor dessen Türe der Sack hing, noch ein Platz frei sei.

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