spielt eine Szene in meinem Schauspiel, das ich später einmal, wenn ich in die Freiheit komme, schreiben werde..."
Eines Mittags wurden wir von der Arbeit gerufen. Ein Lastauto stand schon bereit, also hatten wir eine lange Reise vor uns. Unsere Frauenbrigade wurde zur Arbeit auf einen Ziegeleiabschnitt transportiert. Nach dem landschaftlich so schönen El Marje war es da besonders trostlos. Öde, verbrannte, braune Steppe. In einer Niederung wurde der hellgraue, zähe Lehm gestochen und in Formen gefüllt. Diese Ziegel werden nicht gebrannt, sondern in der Sonne getrocknet.
Zusammen mit einer jungen kaukasischen Mohammedanerin hatte ich die Aufgabe, die Ziegelsteine zu wenden. Die waren da in langen Reihen aufgebaut, und wir gingen von Stein zu Stein und drehten ihn um. Schon nach einigen Stunden bluteten unsere Hände. Diese Ziegelsteine sind mehr als doppelt so groß wie die bei uns gebräuchlichen und haben messerscharfe Kanten. Unser Glück war, daß der Posten und der Brigadier ein weit auseinander liegendes Gebiet kontrollieren mußten. Hatten sie uns den Rücken gewandt, so setzten wir uns auf die Steine und faulenzten. Die junge Kasakin war eine gläubige Mohammedanerin. Um den Hals trug sie an einer Schnur ein aus rotem Stein geschnittenes Medaillon, auf das Mondsichel und Stern eingraviert waren. Sie hatte schwarzes, glänzendes Haar, das sie in zwei festgeflochtenen Zöpfen über die Schultern hängen ließ. Sie lebte streng nach den Vorschriften der mohammedanischen Religion, was bei den Mithäftlingen ständig höhnisches Gelächter hervorrief. Wenn sie zur Abortgrube ging, vergaß sie niemals eine kleine Konservenbüchse mit etwas Wasser und wusch sich nach jedem Austreten. Eine lange Hose, ohne die eine Mohammedanerin nicht gehen darf, konnte sie nicht bekommen, und da löste sie dieses Problem, indem sie die zerfetzten Strümpfe mit einer ebenso zerschlissenen Trikothose zusammennähte. Es war eine Freude, in dieses schöne, breite, mongolische Gesicht zu blicken, mit den freundlichen, braunen Schlitzaugen und dem immer lächelnden Mund. ,, Du bist doch ein gebildeter Mensch, kannst mir sicher sagen, ob ich noch einmal in die Freiheit komme", wandte sie sich zutraulich an mich. ,, Warum bist du denn eingesperrt?" Sie zögerte verlegen mit einer Antwort. ,, Wenn du von mir einen Rat haben willst, so muß ich dies erst wissen." ,, Ich bin ganz bestimmt unschuldig", dann fügte sie irgendeine religiöse Formel hinzu, die ich nicht verstand. Und langsam kam es heraus. ,, Mein Mann hat ein Mitglied des Sowjets unseres Ortes ermordet. Danach wurde die ganze Familie verhaftet. Mir sagte man, ich wäre an diesem Mord beteiligt gewesen. Ich habe bestimmt nichts davon gewußt. War nur zu Hause, habe nur für meine Kinder gelebt." Und ihre flehenden Blicke waren auf mich gerichtet. ,, Du bist doch ein grammatny tschelowjek ( ein Mensch, der lesen und schreiben kann), hilf mir doch, was kann ich
8 Buber: Gefangene.
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