einem kleinen Seitental und konnte nicht von dem wachhabenden Posten, der auf einem Hüttendach stand, überblickt werden. Wo das Tal eine Biegung machte, kommandierte ich„Stoj!“ Sofort legte sich zuerst Mischka und dann Wassja nieder. Dann war ich ganz allein in diesem kleinen Tal. Auf beiden Seiten stiegen grünspanschimmernde Felsen auf, dazwischen rotglühende Hagebutten, wohin das Auge blickte. Ich kletterte über die Felsen und pflückte mit dem wilden Eifer des hungrigen Men- schen meinen Brotbeutel voll Hagebutten. Dann schnell zurück, und nun kam die schwerste Arbeit: meine beiden Freunde zum Aufstehen zu bewegen. Da halfen leider nur Prügel— es waren eben doch Lager- ochsen. Wie gern hätte auch ich nur eine Viertelstunde im Gras gelegen und in den zarten Herbsthimmel geblickt, aber schnell mußte die ver- lorene Zeit wieder aufgeholt werden, denn der Natschalnik beaufsichtigte persönlich die Ausbesserungsarbeiten bei den Ställen und wehe, wenn es an Wasser gemangelt hätte. Unter lautem Geschrei näherten wir uns dem Wasserloch. Da erhoben sich Schwärme grünschillernder Vögel, und mit lautem„Zopp-Zopp“ wendete ich im engen Tal meine Wägelchen und fuhr dicht an das Wasserloch heran. Dann mit dem Eimer im Trab die Stufen hinunter zum Wasserloch, hin und her, bis beide Tonnen auf dem Wagen gefüllt waren, und dann ging's das Tal hinab zum Schafstall.
Am Abend nahm ich dann Mischka und Wassja das Marterjoch ab,-
klopfte ihnen zärtlich auf den Hals und kraulte die Locken zwischen den Hörnern. Dann liefen sie in die Steppe hinaus, glücklich, wenigstens für die Nachtstunden dem Joch entronnen zu sein...
Einmal kam auch nach El Marje der„‚Larjok“. Er hatte nur Heringe und Nudeln zu verkaufen. Wir entschieden uns für Nudeln, die waren billiger, dachten aber gar nicht an die Schwierigkeit der Zubereitung. Wo sie kochen? Worin und womit? Die Russinnen waren ratlos. Da erinnerte ich mich, irgendwo etwas von Schafsmist als vorzüglichem Heizmaterial gelesen zu haben. Mit der Erfahrung aus der deutschen Jugendbewegung baute ich am Abend nach der Arbeit kunstgerecht zwischen Baracke und Abortgrube— denn nur dort erlaubte es der giftige Natschalnik— eine Feuerstelle. Zuerst wurde die Windrichtung geprüft und dann ein Graben ausgehoben, auf dem unsere Konservenbüchsen stehen konnten. Trockenen Schafsmist gab es mehr als genug, und der brannte wie Zunder. Wir hockten und schürten und vergaßen vor Eifer ganz unsere Müdigkeit. Als dann die Nudeln weich waren, das Salzwasser abgegossen, saßen wir gleich neben der stinkenden Abortgrube und verzehrten unser Mahl. So gut haben uns noch keine Nudeln im Leben geschmeckt. Und während wir lachten und den Posten, der uns in die Baracke jagen wollte, immer wieder um„noch ein paar Minuten“ baten, ging über den Bergen ein riesiger, gelber Mond auf.„Greta“, flüsterte Tamara,„hier in El Marje
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