reichte, worauf als Absender der Name Tasso Salpeters stand. Tasso war nach Burma gekommen, hatte erfahren, wo ich mich befand und mir ein Päckchen Zucker geschickt.

Später wurde ich wieder einer Kolonne zur Bekämpfung der Brzelose zugeteilt. Zusammen mit Alexandra, die im Privatberuf Modistin war, und einer Kriminellen aus Warschau hatte ich einen Ochsenwagen mit dem vertrockneten Schafmist zu beladen. Alexandra, die am Anfang so gern und viel gelacht hatte, wurde von Tag zu Tag gedrückter und schweigsamer. Sie war klein und früher einmal rund gewesen, hatte eine Stupsnase und zeigte beim Lachen alle Zähne. Aber nun begann ihr Haar zu ergrauen und die schönen großen Zähne abzubrechen. Alexandra war schon 1935 verhaftet worden. Sie hatte in Moskau als Modistin gearbeitet; zuerst in einem Geschäft, dann machte sie sich selbständig. Sie muß sehr geschickt gewesen sein. Man vermittelte ihr als Kundschaft die Damen der japanischen Botschaft in Moskau . Sie ging zur Botschaft zum An­probieren und wurde dort einmal zum Tee eingeladen. Kurz danach ver­haftete sie die GPU. Ihre Unschuld muß so eindeutig gewesen sein, daß man sie nicht verurteilte, sondern in ,, freie Verbannung" schickte. Zu ,, freier Verbannung" verurteilte man Menschen, von deren Unschuld selbst der Untersuchungsrichter überzeugt war. Diese Menschen braucht man eben zur Besiedlung Sibiriens , wie ja auch im Grunde genommen die Verurteilung zu Konzentrationslager, neben der Sicherheitsmaßnahme gegen unzuverlässige Elemente, aus dem gleichen Grunde erfolgt. Die NKWD ist zugleich eine große Sklavenhalterin, die das Menschenmaterial in die verschiedenen Gebiete Sibiriens dirigiert: zur Holzbeschaffung nach Zentralsibirien und Karelien , zur Schwerindustrie in den Ural , zur Kultivierung der Steppe nach Kasakstan , zur Goldgewinnung nach Kolyma im Polargebiet, zum Städtebau nach dem Fernen Osten usw. usw.

Es ist oft vorgekommen, daß sich Verbannte freiwillig bei der NKWD gemeldet und um ihre Verhaftung gebeten haben, weil sie sonst Hungers sterben müßten. Da liegen die Verbannten oft wochenlang unter den Brücken, unter freiem Himmel, weil sie nirgends eine Unterkunft finden, nirgends eine Arbeit. Sie verkaufen das Mitgebrachte, oder, falls sie im Besitz von Geld sind, leben sie davon eine Weile. Da haben die zu KZ Verurteilten wenigstens ihre lumpige Suppe, die tägliche Ration Brot und einen Platz in irgendeiner noch so jämmerlichen Hütte.

Unsere Alexandra nun war verheiratet, ihr Mann war Konzert­sänger. Sie verlangte selbstverständlich nicht von ihm, daß er sie in die Verbannung begleiten solle. Als Verbannungsort wurde ihr eine kleine Stadt am Rande der Kasakischen Steppe zugewiesen. Dort lebten schon viele Verbannte. Den meisten ging es sehr schlecht, denn sie hatten nichts, wovon sie leben konnten. Es gab keine Arbeitsmöglichkeit. Der einzige Beruf, den man ergreifen konnte, war der eines Wasserträgers.

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