lassen, und in der Steppe gibt es nur eine ganz kurze Dämmerung. Manchmal hatte man uns einen alten Kochkessel mit Wasser gefüllt, damit wir uns etwas waschen könnten. Doch immer wieder soffen die Ochsen das Wasser aus. Dann rannte man mit seiner Konservenbüchse trotz strengstem Verbot zu dem fast ausgetrockneten Ziehbrunnen, lieẞ den ,, Katylok" am Strick hinunter, um ein wenig Wasser zu schöpfen. Dabei muẞte man angstvoll nach allen Seiten blicken, damit es kein Soldat bemerkte. Wer fiel natürlich immer herein? Olga. Dann hagelte es Flüche. Kaum hatte man sich ein wenig den Schmutz herumgewischt, muẞte man zur Küchenbaracke stürzen, damit man nicht um seine Hirse­suppe kam. Alle waren schon fertig und schleppten ihre Bündel aus der Baracke heraus, um sich für die Nacht ein Lager zu machen, nur von Olga war keine Spur zu sehen. Damals hatten wir die Erlaubnis erhalten, nachts vor der Baracke zu schlafen, weil es in den Hütten vor Wanzen nicht auszuhalten war. Drinnen blieben nur die ganz Abgehärteten, denen die Wanzen nichts mehr anhaben konnten. Wenn man abends die Baracke betrat, um sein Bündel herauszuholen, mußte man sich immer­fort über Kopf und Schulter streichen, denn es regnete förmlich Wanzen, an den Wänden liefen sie wie Ameisenstraßen. Meinen Katylok" lieẞ ich in der Baracke, vorsichtshalber mit ein wenig Wasser gefüllt, weil ich schon Bescheid wußte, und wenn ich ihn dann morgens ausschwenkte, um nach Teewasser anzustehen, war das Wasser wie mit Entengrütze von Wanzen bedeckt, die nachts über hineingefallen waren.

Wir schliefen auf dem bloßen Steppenboden, mit dem Kopf gegen die Barackenwand, eine dicht neben der anderen. Auf einem Schemel etwa 5 Meter von den liegenden Frauen entfernt, saß der Soldat, das Gewehr mit dem aufgepflanzten Bajonett vor sich und hielt die ganze Nacht über Wache. Wenn man austreten wollte, mußte man zu ihm gehen: Darf ich austreten?" Dann ging man ein paar Schritte in die Steppe und setzte sich hin. Eines Nachts erwachte ich, wollte austreten, doch der Schemel war leer. Ein großes Problem! Wo war der Soldat? Wen sollte ich um Erlaubnis fragen? Einfach zu gehen war lebensgefähr­lich, denn er hätte hinter mir herschießen können. Da hörte ich rechts von mir ein Geräusch. Der Soldat lag, eine von den Häftlingen im Arm, in der Reihe der schlafenden Frauen. Kurz entschlossen erhob ich mich, ging zu dem sich liebenden Paar und fragte, ob ich austreten dürfe. Eine Antwort bekam ich nicht.

Doch zurück zu Olga. Fast jeden Abend wiederholte sich das gleiche. Alle lagen schon in Reih und Glied, nur Olga war noch nicht da. Der Soldat saß schon auf seinem Schemel, es war seit einer Viertelstunde Lagerruhe, da fegte Olga mit ihrem Bündel aus der Barackentür. Ein Hagel von Schimpfworten empfing sie. Dann brauchte sie weitere zehn Minuten, um sich für die Nacht vorzubereiten. Lag sie endlich, und ich

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