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uns doch nur ein wenig Brot." ,, Und wenn ihr nun alle ausrückt?" fragte er lachend.„ Oder gerade die Kontrolle kommt? Da werde ich auch ins Lager kommen oder noch schlimmer." Und so ging es hin und her. Die Mittagszeit war vorüber, wir hatten schon die Hoffnung aufgegeben. Der Ochsenwagen mit der Suppentonne war davongeschaukelt. Wir arbeiteten, in schwarzen Staub gehüllt, beim Reinigen der Steppengerste. Wir hatten aufgehört, unseren Kasaken zu bitten. Da kam er auf uns zu: ,, Gebt die Brotsäcke her, aber schnell, und etwas Geld!" Und dann schwang er sich mit einem Satz auf sein Pferdchen, und in einigen Minuten sahen wir eine Staubwolke am Horizont verschwinden. Es dauerte über eine halbe Stunde, bis er zurückkehrte. In dieser halben Stunde haben sieben Häftlinge um einen Bewachungssoldaten gezittert.
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Wir suchten den Horizont ab, ob nicht etwa doch die Kontrolle käme, und dann hingen unsere Augen an der Stelle, wo er verschwunden war, mit Angst und Bangen, ob ihm auch in Sharik nichts widerfahren sei. Und dann wirbelte der Staub, und heran stürmte unser Kasak und über dem Pferdehals baumelten unsere Brotsäcke, die halb voll Brot und halb voll Zucker waren.
9. SKLAVENARBEIT IN LENINSKOJE
In Leninskoje bekamen wir zwei Monate lang keine Seife. Eigentlich stand uns pro Monat ein kleines Stück zu, etwas größer als eine Streichholzschachtel, doch sehr weich und feucht. Aber sie hatten uns vergessen oder irgendeiner hatte sie gestohlen. Der Schmutz war schon tief in die Haut eingedrungen, der pulverisierte Schafmist saß uns in allen Poren. An der Wand des Schafstalles jedoch hing ein großes Plakat: ,, Wegen Ansteckungsgefahr mit der tödlich wirkenden Brzelose verboten, während der Arbeitszeit zu rauchen oder zu essen. Vor den Mahlzeiten müssen die Hände gewaschen werden!"
Eines Tages kam der Kassierer, ein politischer Häftling, in einem Wägelchen auch auf diesen Abschnitt gefahren, um den dort Arbeitenden ihren Verdienst auszuzahlen. Ich wußte, daß man erst Monate später seinen Lohn erhält und war ohne jegliche Erwartung. Da rief man meinen Namen. Und ich erhielt 25 Rubel auf einmal für die ,, Udarniki"-Arbeit von damals, als ich im ,, freien" Lager war. 25 Rubel sind im Lager ein Vermögen.
Um diese Zeit kam eine neue Brigade. Unter dem Zugang war eine Deutsche mit dem Vornamen Olga. Ihre Familie war vor vielleicht 150 Jahren nach Rußland gekommen, irgendein Ururgroßvater als Kapellmeister zu irgendeinem Zaren, und die Familie hatte sich rein deutsch erhalten bis in unsere Tage. Richtiger gesagt, sie waren noch deutscher geworden. Olga hatte nicht nur ein klassisch deutsches Aus
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