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Eine Lehmhütte, keine Bretter, dafür aber Stroh am Boden. Ohne Licht wurden wir hineingetrieben wie das Vieh. Man warf sich auf das Stroh. In dieser Nacht störten nicht einmal die Wanzen.

Eine kleine Baracke für die Frauenbrigade des Strafblocks, außer­dem eine Männerbaracke; ein Haus für die Bewachungsmannschaft, eine Badestube, ein Arrestloch und eine ganze Reihe gut gebauter Schaf­ställe: das war der Unterabschnitt Leninskoje. Am nächsten Morgen schon begann unsere Arbeit. Im Sommer sind die Schafe draußen auf der Steppe. Die Kolonne wurde ausgerüstet mit Spaten, Spitzhacken und Schaufeln. Die Aufgabe war, den Boden des Schafstalles und des um­liegenden Gebietes aufzuhacken, diesen vertrockneten Mist auf Ochsen­wagen zu laden, in die Steppe hinauszufahren und dort zu verbrennen. Es war eine Hundearbeit. Vor allen Dingen vor den Schafställen, wo der Boden von einem Netz von Queckenwurzeln durchzogen war und Spaten und Spitzhacke trotte.

An einem Tag geschah ein Wunder. Wir mühten uns gerade schweißtriefend. Die Wache, ein Soldat, stand in einiger Entfernung. Es war ein Kasake. Da legte er sein Gewehr mit dem aufgepflanzten Bajonett auf die Erde, nahm einem Häftling die Spitzhacke aus der Hand und begann eine tiefe Furche aufzuschlagen, so daß wir eine Ansatzstelle für unsere Spaten fanden. Das war das erste- und einzigemal, daß ich einen Bewachungssoldaten gesehen habe, der den Häftlingen geholfen hat. Man kann sich vorstellen, wie ihn die Häftlinge liebten. Mit ihm unterhielt man sich.

Viele Wochen später, unsere Brigade war auf einem anderen sieben Frauen Abschnitt zum Getreidereinigen. Eine Kolonne von marschierte unter Bewachung des gleichen kasakischen Soldaten, der zu Pferde saß, weil der Weg zur Arbeit über acht Kilometer betrug, hinaus in die Steppe zu einem ,, Tog". Das ist ein ebener Platz, von dem Häft­linge die Grasnarbe entfernt, den sie gesäubert und geglättet hatten und auf den dann das von den Mähdreschern geerntete Getreide geschüttet wird. Auf den ,, Tog" werden Getreidereinigungsmaschinen geschafft, und an einer solchen Maschine arbeiteten in verschiedenen Arbeitsgängen je sieben Frauen.

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An diesem Tag waren wir sieben nur Politische. Auf dem Hinweg hatten wir schon muntere Gespräche mit dem Soldaten geführt, ihm erzählt, daß wir schrecklichen Hunger hätten, und so kamen wir immer näher und näher an das eigentliche Thema. Dieser Tog" lag nämlich nicht sehr weit von der Eisenbahnstation Sharik, unser Kasak war zu Pferde, und in Sharik konnte man Brot und Zucker kaufen. Ob er das für uns tun wird? Wir hielten es alle nicht für möglich. Aber der Hunger machte uns hartnäckig. Sie wissen doch, daß wir alle Politische sind! Sie kennen uns doch! Uns können Sie wirklich trauen. Bitte, holen Sie