Strafblocks, drückte sich vor jeder Arbeit und führte auf Kosten des Starosta ein erträgliches Lagerleben.

Der Erfolg der Reinigungsaktion war, daß das erste- und einzigemal die Haufen auf dem Platz zwischen den Baracken entfernt wurden. Alle sonstigen Bemühungen, Ordnung hereinzubringen, scheiterten an dem widerspenstigen Verhalten der Kriminellen, die sowohl den Natschalnik als den Starosta verhöhnten. Die Kommission kam. Sie bestand aus Serikow, dem Lagerkommandanten und einigen Uniformierten. Sie stolperten durch die verwahrlosten Baracken, hörten sich geduldig alle Beschwerden der Häftlinge an und gingen davon. Und im Strafblock blieb alles beim alten.

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Es ging das Gerücht, daß man einen Transport zusammenstelle, der nach Zentralsibirien oder dem Fernen Osten gehe. Alle gerieten in schreckliche Aufregung. Man würde also die Menschen, die mit­einander befreundet waren, auseinanderreißen. Boris und ich wußten,

daß man uns trennen würde. Und so kam es. Wir hatten einige Tage Zeit, um Abschied zu nehmen, Abschied für immer. Boris schnitzte aus einem. Stückchen Holz eine Zigarettenspitze und fertigte ein kleines Holzkästchen an, damit ich jeden Tag etwas von ihm in Händen hätte. Er versprach, mir eine Nachricht zu schicken, es wenigstens zu versuchen. Diese letzten Tage waren ein einziger Schmerz. Ich wußte, daß der Ferne Osten für Boris das Todesurteil bedeutete. Ich konnte nichts, als ihm danken für diese zwei Monate Freundschaft, die mich alle Schrecken von Burma hatten vergessen machen.

Am Abend kamen dann die Lastautos vor den Strafblock gefahren. Man verlas die Namen, und wir alle standen am Stacheldraht. ,, Grete, du darfst mich nie vergessen!" rief Boris beim Hinausgehen. Und die Häftlinge sangen zum Abschied: ,, Ströme über die Ufer große Wolga ! Mein Liebster nimmt Abschied von mir. Der Wind bläht die Segel, mein Herz stöhnt vor Trennungsschmerz. Auf Wiederseh'n! sagt der Liebste, und das Herz wird zu Stein. Lebewohl, lebewohl und vergiß nicht meine Pein.

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Als ich dann allein war, verließen mich alle Kräfte. Immer häufiger konnte ich das Pensum nicht schaffen, und wenn ich nicht das Glück hatte, einen politischen Brigadier zu haben, der mein Pensum fälschte, gab es immer wieder nur 400 Gramm Brot am Tag. Vom frühen Morgen bis zum Mittag da draußen auf dem Feld dachte man an nichts als an Brot. Eines Nachmittags, ich trug den Brotsack mit einem Teil der soeben er­haltenen Ration an einer Schnur um den Leib gebunden, störte mich das ständige Schlenkern beim Hacken. Ich legte den Sack in die Ackerfurche, um ihn alle paar hundert Meter nachzuholen. Da, als ich ihn nach einer Weile aufhob, war er leer, man hatte das Brot gestohlen. Was das be­

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