legenheiten, Beria , sei, desselben Beria , der mein Urteil zu fünf Jahren Lager unterschrieben hatte. Außer dem Achtzigjährigen noch ein georgischer Menschewik und ein Lehrer aus dem Kaukasus namens Dsagnidse. Sie saßen mit uns zusammen und sangen eines ihrer melo­dischen georgischen Lieder. Da bat der Lehrer: ,, Sing uns doch mal ein deutsches Lied." ,, Ganz gern. Aber ich kann auch ein georgisches."- ,, Was? Eine Deutsche will georgisch singen können?" staunten sie lachend. Und ich sang ihnen ein trauriges Lied, das mir Heinz einmal beigebracht hatte, weil es sein Freund Lominadse immer sang:

,, Tawo tschemo

Bedi argit sgeria.

Tschango tschemo

Eschit argit sgeria..."

,, O, du mein Haupt,

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Dir ist kein Glück beschieden, Du meine Laute

Singst kein fröhlich Lied..

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Unsere Georgier im Strafblock waren begeistert, und wir saẞen so manchen Abend beisammen. Ich unterhielt mich mit dem Achtzigjährigen, einem richtigen georgischen Winzer, dessen Augen vor Zorn blitzten, als er mir erzählte, daß ihn sein eigener Pflegesohn verhaften ließ, weil er sich geweigert hatte, in die Kollektivwirtschaft einzutreten und man sich nicht schämte, ihn zu zehn Jahren Konzentrationslager zu verurteilen. Dsagnidse war schwer herzkrank und war wegen ,, konterrevolutionärer Agitation" zu zehn Jahren verurteilt worden. Beide kamen später auf einen Invalidenabschnitt. Einmal hatte ich eine politische Unterhaltung mit dem georgischen Menschewiken. Das war, als wir vom deutsch­russischen Freundschaftspakt erfuhren. Da sagte der ehemalige Mensche­wik mit erhobener Stimme, wahrscheinlich sollten es recht viele hören: ,, Der Freundschaftspakt ist die genialste politische Tat unseres großen Stalin . Ihm gilt meine ganze Bewunderung!"

Eines Tages verkündete der Natschalnik des Strafblocks, es müsse sofort Ordnung gemacht werden, denn es käme eine Kommission aus Dolinki, dem Verwaltungspunkt des Lagers Karaganda , um den Straf­block zu besichtigen. Unser Starosta, eine hörige Kreatur des kriminellen Natschalniks, lief aufgeregt herum und suchte nach Leuten zum Sauber­machen. Die einzige, die plötzlich eine eifrige Tätigkeit entfaltete, war seine jugoslawische Freundin, die fürchtete, daß die Kommission den Starosta davonjagen würde, wenn sie diesen Saustall vor Augen bekäme. Diese Jugoslawin behauptete, eine Kommunistin zu sein. Vielleicht stimmte es auch. Auf jeden Fall war sie die wohlgenährteste Frau des

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