mit Fetzen umwickelt, in Gummischuhen Größe 45. Boris trug unsere beiden Konservenbüchsen.

Und als ich dann am Abend auf den verwanzten Brettern lag, wollte das Lächeln in den Mundwinkeln nicht weichen. Gar nichts quälte mich mehr. Wenn auch vor den geschlossenen Augen endlose Reihen grüner Sonnenblumenpflänzchen vorbeiliefen und ihre dicken, fleischigen Keimblätter immer größer wurden und über den Horizont hinauszu­wachsen schienen: was konnte mich das schon quälen, da doch der morgige Tag wieder seinen Sinn hatte. Boris wollte mir litauische Lieder vorsingen.

Wenn ich an die ersten zwei Monate meines Aufenthalts im Straf­block von Burma denke, an die Zeit meiner Freundschaft mit Boris Resnik, erinnere ich mich kaum noch an die Qualen des langen Arbeits­tages, an Hunger und an die schrecklichen Nächte mit Wanzen und Läusen; ebenso wenig wie an die Bösartigkeit und Gemeinheit der Mit­häftlinge. Jeden Morgen, noch bevor man zum Zählappell rief, trafen wir uns auf dem Platz zwischen den Baracken. Boris drehte mir ein kunstvolles ,, Ziegenfüßchen" aus Machorka und Zeitungspapier in Form einer kleinen Pfeife, und wir blickten gemeinsam auf das tägliche Wunder, wie die Sonne hinter den fernen Bergen hervorkam. Schon am ersten Morgen begegnete ich einem frisch rasierten Boris. Wie er es fertig gebracht hatte, blieb mir ein Rätsel. Am Abend stand er dann in der Ecke hinter der Männerbaracke, wusch mit, organisiertem Wasser vom Kipjatok( Heißwassermaschine) sein ausgeblichenes Hemd und hängte es zum Trocknen über den Stacheldrahtzaun, behielt es dann sorgfältig im Auge, bis es halbwegs getrocknet war, damit man es ihm nicht wegstahl.

Boris bekam aus dem Krankenhaus von Burma Zusatzernährung. Das verdankte er dem leitenden Arzt, auch einem Häftling. Schon nach den ersten Monaten im Strafblock hatte Boris einen Blutsturz erlitten. Man hatte ihn ins Krankenhaus eingeliefert, und dort wurde er so halb­wegs wiederhergestellt. Der Arzt beantragte für ihn als Schwindsüchtigen die Zuteilung von Krankenkost. Das war nur ein Becher voll Essen, kein halber Liter an Menge, aber es bestand aus Nudeln oder Grütze, es war etwas Nahrhaftes, und nur dadurch konnte sich Boris aufrechterhalten. Diese Essenzulage erregte bei den Mithäftlingen Wut und Miẞgunst. ,, Der soll krank sein! Seht nur, wie blühend er aussieht! Ja, ja, es kommt alles darauf an, ob man, Blat'( Beziehungen) hat."

Eines Morgens hatten wir beschlossen, uns bei der Gärtnerkolonne anzustellen. Boris hatte ein Recht auf leichte Arbeit, ich aber nicht. Er ging aber im allgemeinen aufs Feld, weil er den Gärtner haßte. Wir standen beim Arbeitsappell in der Gärtnereikolonne, als die kontrol­lierenden Soldaten, von einem kriminellen Häftling begleitet, der die

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