waschen kommen, und unser einzig zuverlässiges Wasch- und Bleichmittel war die kasakstansche Sonne. Mit deren Hilfe ging auch ohne Seife der Schmutz heraus.

Immer weiter blieb ich hinter den anderen zurück. Der Brigadier lief hin und her mit seinem Holzbrett, das er in Ermangelung von Papier als Schreibblock benutzte, um denen, die ihr halbes Pensum geschafft hatten, einen Strich einzuzeichnen. Ob denn nicht bald Mittag sein würde? Schon längst hatte ich die letzte Krume aus dem Brotsack ge­kratzt, und nur für kurze Zeit hatte der Bauch voller Wasser das Hunger­gefühl verdrängt. Ich nahm alle Kraft zusammen, meine Furche war ein Gewirr von Unkraut, da, ich holte gerade zum Schlage aus, sah ich ein Paar angstvoll aufgerissene Vogelaugen auf mich gerichtet. In einer kleinen Mulde, gut von Unkraut verdeckt, saß ein sandfarbenes Vögel­chen auf seinem Nest. Hunger und Müdigkeit vergaß ich vor Entzücken. Ich weiß nicht, warum es mich so heftig bewegte. Vielleicht, weil da etwas ganz Schutzloses, so völlig der Unbill des Lebens Ausgeliefertes war. Ich umging das Nestchen in großem Bogen und hatte nur einen Gedanken: Wenn es bloß keiner entdecken und zerstören wird. Ein Kindervers aus der Schulfibel fiel mir ein: ,, O rühre mein kleines Nest nicht an...

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Ein Häftling mit langem Bart ging von Furche zu Furche, um die Hacken zu schärfen. Jetzt kam er zu mir, der Letzten. ,, Gib deine Hacke her. Die schlechteste haben sie dir angedreht. Da brauchst du dich nicht wundern, wenn's nicht von der Stelle geht." Er setzte sich und begann die Scharten mit einem Hammer zu beklopfen. Glücklich über die Unter­brechung hockte ich mich neben ihn.

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,, Bist wohl das erstemal auf dem Feld? Hab' dich noch niemals ge­sehen?" fragte er freundlich. Ja, Onkelchen, erst gestern kam ich pod konvoj." ,, Was ausgefressen?" blinzelte er mich verschmitzt an. ,, Nein, nur aus Dummheit", und ich erzählte ihm mein Unglück. ,, Bist etwa gar kein russischer Mensch?" Ihm war meine schlechte russische Aussprache aufgefallen. ,, Nein, eine Deutsche ." ,, Ach was? Von der Wolga ?" musterte er mich erstaunt. ,, Aber nein, aus Deutschland ." ,, Und was machst du denn hier?" Er begann plötzlich deutsch zu sprechen, in alter­tümlich schwäbischem Dialekt. Es war ein wolgadeutscher Bauer. ,, Da bist du wohl eine Kommunistin?" kam es ein wenig miẞtrauisch heraus. ,, Ja, das war ich viele Jahre lang. Und dann kam Hitler ..." Er be­klopfte meine Backe und nickte: ,, Ja, ja, da hast auch Schlimmes hinter dir. Wärst doch besser zu Hause geblieben, als sich in der Fremde her­umzutreiben. Dabei kommt nie was Gutes heraus. Ist's denn mit dem Hitler wirklich so schlimm, wie die unsern in der Zeitung schreiben? Ich denk' mir halt, ärger als die's hier treiben, kann es der auch nicht tun. Und nimmt Hitler auch den Bauern das Land? Mich habens zwingen

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