Die Furchen wurden verteilt. Da gab es glückliche Menschen, die sich kannten, vielleicht sogar solche, die sich gerne hatten, die nebeneinander hacken wollten. Wie schön das sein mußte, für irgendeinen Menschen nötig zu sein.
Ich begann drauflos zu hacken. Die Sonnenblumenpflänzchen waren mit der Maschine gesät und noch keine fünf Zentimeter hoch. Zwischen den dicken Keimblättern erschienen gerade die ersten beiden zarten Sprossen. Es war nicht leicht, sie vom Unkraut zu unterscheiden. Immer wieder schlug ich fehl. Aber wozu sich eigentlich bemühen? Wollen die mich zwingen, die Steppe zu kultivieren? Erbarmungslos hackte ich alle Pflänzchen in Grund und Boden. Alles werde ich vernichten und ausrotten. Ich richtete mich auf. Da kam einer zu Pferde gerade meine Furche entlanggeritten. Der Agronom, ein Häftling: ,, Verfluchtes Weib, was machst du für eine Arbeit? Bist du blind? Kannst du die Pflanzen nicht vom Unkraut unterscheiden?" Wie ein preußischer Gutsinspektor waren Ton und Haltung. Er sprang vom Pferd, nahm mir die Hacke ab und zeigte mit ein paar kräftigen Schlägen, wie man zu arbeiten habe. Ich schwieg und ließ ihn zu Ende fluchen. Den ganzen Vormittag war er mir dann auf den Fersen. Außer ihm ging der Brigadier, auch ein Häftling, kontrollierend von Furche zu Furche. Nur der Wachposten saẞ unbeweglich mitten im Feld und hielt sein Gewehr mit dem aufgepflanzten Bajonett vor sich.
Die Sonne begann auf Kopf und Arme zu brennen. In immer kürzeren Abständen mußte man den Rücken strecken und den Schweiß vom Gesicht wischen. Alle haben mich schon überholt. Ganz vorn hackte ein junges Mädchen, sicher eine Bäuerin. Bei der ging es so geschwind, als liefe sie übers Feld. Später erfuhr ich, daß sie manchmal, wenn sie gerade Lust verspürte, ein doppeltes Pensum erfüllte, wofür sie 1000 Gramm Brot erhielt und dem Agronom ein Erpressungsmittel gegen die anderen Häftlinge lieferte. Rechts von mir bewegte sich eine ganze Gruppe, in dicken Staub gehüllt, und die Frauen unterhielten sich kreischend. Alle kannten sich hier, nur ich hatte mit keinem etwas zu tun, hätte auch gar nicht gewußt, worüber ich mit ihnen reden sollte.
In Abständen von ungefähr 300 Metern waren über das ganze Feld hin Tonnen aufgestellt. Endlich hatte ich die erste erreicht. Das schweißüberströmte Gesicht beugte sich gierig über den Wasserspiegel, denn einen Trinkbecher besaßen wir nicht. Es war ganz gleich, was da auf dem Grund der Tonne herumschwamm, Reste der gestrigen Mittagssuppe, Gras, Schmutz, ganz gleich, man trank, wenn auch kurz vorher der Ochse des Wasserfahrers daraus gesoffen hatte und eben eine mit ihrem dreckigen Katylok Wasser schöpfte, um sich dann, den Rücken dem Posten zugekehrt, irgendein verdächtiges Wäschestück auszuwaschen. Nur auf diese Weise konnten die Häftlinge überhaupt zum Wäsche
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