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- ,, Und noch Gesuch geschrieben haben, bringen Sie's bitte zu mir." eine Bitte: ich habe eine Mutter, die wohnt in Potsdam , in Deutschland . Sie weiß nicht, wo ich geblieben bin. Ist es erlaubt, ein Lebenszeichen zu senden? Nur einen Gruß auf einer Postkarte, daß es mir gut geht?" ,, Jawohl, das ist erlaubt."

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Vierzehn Tage, nachdem ich diese Eingabe und die Postkarte beim Natschalnik der NKWD abgegeben hatte, erschien ein Häftling, der bei der Verwaltung arbeitete, forderte mich auf, die Arbeit im Kontor zu beenden, ging mit mir zu meiner Baracke, wo ich die Sachen holen mußte und brachte mich zum Strafblock.

Der Ordnung halber konnte ich aber erst um sechs Uhr abends in den Strafblock eingeliefert werden, saß also vor seinem Stacheldraht auf meinem Bündel und gab mich der tiefsten Verzweiflung hin. In den Strafblock zu kommen ist so, als ob man noch einmal verhaftet wird. Im freien Lager geht man von und zur Arbeit ohne jegliche Be­wachung. Nach der Arbeit hatte man ungefähr eine Stunde Zeit bis zum Lagerschluß gehabt, und da konnte ich Grete Sonntag besuchen, da hatten wir zusammen über die Steppe geblickt, uns über den herrlichen Himmel gefreut, und gerade jetzt wurde es Frühling, es war Mitte Mai, und die Steppe begann zu blühen. Ganze Felder von feingefiederter Iris gab es da, auch eine zarte weiße Tulpenart und dann große Strecken mit gelben Blumen. Die mir so lieb gewordenen Menschen aus dem Büro mußte ich nun verlieren. Mir war zum Heulen zumute.

Der Strafblock war ein kleines, von Stacheldraht umzäuntes Gebiet, in dem es eine Frauenbaracke, eine Männerbaracke, ein kleines Haus für den Natschalnik und den Starosta( Ältesten) und das Lagergefängnis gab. Am Eingang war eine Holzbude, in der eine Wache saß, und durch einen schmalen Gang trat jeder Häftling einzeln ein. Der Schmutz war Strafblock schier im ,, freien" Lager schon erschütternd, aber im unmenschlich. Der kleine Platz zwischen Baracken und Abortgrube war mit Haufen besät, die Häftlinge machten sich nicht mehr die Mühe, bis zur Grube zu gehen, sie setzten sich hin, wo sie gerade gingen und standen. Über dem ganzen Platz lag ein bestialischer Gestank. Die Frauenbaracke war noch jämmerlicher und niedriger als die vorher be­schriebene. Die Schlafstellen hatte man aus dicken und dünnen Brettern zusammengeschlagen, und in einigen Räumen lagen die Frauen auf Reisiggeflecht.

Es gab zwei Arten von Häftlingen im Strafblock. Solche, die sich gegen die Lagerordnung vergangen hatten und Strafen erhielten bis zu drei Monaten, das war das höchste. Unter denen waren natürlich die furchtbarsten Elemente, die nicht nur ständig mit der Lagerobrigkeit zusammenstießen, sondern auch mit ihren Mithäftlingen. Dann alle be­rüchtigten Kriminellen und solche, die man von dort aus in die so­

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