sicher bei uns bleiben und vielleicht kleine Enten bekommen. Ich ging ganz angeheimelt in die Baracke. Nach kurzer Zeit knallte ein Schuẞ. Alle rannten hinaus. Auf dem gegenüberliegenden Ufer des Teiches stand der Natschalnik der NKWD mit einer ganzen Suite von Uniformierten und in respektvoller Entfernung eine Anzahl Männerhäftlinge. Er schoß auf unsere Enten.
Ich flehte bei mir: ,, Ach, wenn sie doch wegflögen! Wenn er sie doch nicht treffen würde!" Aber die Enten schwammen in der Mitte des kleinen Teiches, zusammengedrängt und ängstlich. Scheinbar kannten sie noch keine Schußwaffe. Mit dem dritten Schuß traf der Natschalnik die eine. Hals und Kopf sanken unter Wasser, der Körper trieb oben. Für die zweite aber, die sich nicht vom Körper der toten trennte, verschoß er fünf Kugeln. Dann entledigte sich ein Männerhäftling eifrig seiner Kleider und sprang wie ein apportierender Hund ins Wasser, um die Beute zu holen.
8. IM STRAFBLOCK
Einmal fragte ich meine Kollegen aus dem Büro, die alle schon jahrelang in Haft waren, ob sie Schritte zur Wiederaufnahme ihres Verfahrens unternommen hätten. Denn in allen Gesprächen hörte man immer wieder die Hoffnung auf„ Peresmotrenje"( Wiederaufnahme) oder Amnestie. Da der größte Teil der Politischen unschuldig war und viele nicht begreifen konnten, warum man sie verhaftet hatte, nahmen sie selbstverständlich an, daß das Ganze ein Irrtum sei, der sich bald aufklären und mit einer Wiederaufnahme des Verfahrens und mit Freilassung enden müßte.
Klement Nikifrewitsch erklärte mir, daß Gesuche um Wiederaufnahme des Verfahrens nach seiner Meinung sinnlos seien und wenn überhaupt, dann nur von außen her gemacht werden könnten, nur von den Angehörigen. Das wollte mir gar nicht einleuchten.„ Ich habe den Eindruck, daß ihr alle euer Schicksal ohne jeden Protest hinnehmt. Ich werde mich an das Oberste Gericht der Sowjetunion wenden und eine Wiederaufnahme des Verfahrens verlangen." Aufgebracht riet man mir von allen Seiten ab.„ ,, Du wirst deine Lage nur verschlechtern. Solche Eingaben wandern in den Papierkorb. Dir ist noch nicht klar, wo du dich befindest!"
Und trotz ihrer dringlichen Warnung ging ich am nächsten Tag während der Mittagszeit in das Büro des Natschalniks der NKWD , meldete mich und brachte mein Anliegen vor: ,, Ich möchte eine Eingabe an das Oberste Gericht machen. Darf ich sie in deutscher Sprache schreiben, denn ich beherrsche das Russische noch nicht gut?"- ,, Aber selbstverständlich", kam die freundliche Antwort, ,, und wenn Sie Ihr
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