Büro ist es viel besser. Da sitzt man wenigstens im Warmen, und du wirst schon russisch lernen."

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Der Leiter des Büros der Reparaturwerkstatt, Konstantin Konstan­tinowitsch, ebenfalls ein politischer Häftling, machte, nachdem ich ihm erklärt hatte, wer wir seien und was wir wünschten, ein galliges Gesicht: ,, Das hat mir gerade noch gefehlt. Ich habe schon genug Nichtstuer. Nicht einmal russisch könnt ihr, zu was soll ich euch denn da eigentlich brau­chen?" ,, Vielleicht überzeugen Sie sich erst mal davon, ob wir etwas können oder nicht, außerdem sollten wir doch als Lehrlinge beginnen", ereiferte ich mich. Wie ein prüfender Schulmeister holte Konstantin Konstantinowitsch Papier und Bleistift: wir mußten uns setzen und er diktierte einen russischen Text. Grete Sonntag erklärte wütend, sie könne nicht russisch; ich schrieb irgend etwas. Die( er meinte mich) kann hier anfangen, die andere kann ich nicht brauchen!" Damit waren, wir entlassen.

Auf dem Rückweg überschüttete mich Grete Sonntag mit Vor­würfen, sie in eine so unangenehme Situation gebracht zu haben, und es war drauf und dran, daß wir uns in die Haare gerieten.

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Dem freundlichen Arbeitsvermittler teilten wir unseren Miẞerfolg mit. ,, Was soll ich ihr nur für eine Arbeit geben?" Ich erzählte ihm, daß Grete Sonntag Lederarbeiterin sei und wünsche, in ihrem Beruf zu ar­beiten. ,, Nein, das kann ich nicht verantworten, das ist hier in Burma unmöglich." ,, Ja, aber warum denn, wenn sie es doch selbst gerne will?" wandte ich ein. ,, Hier in Burma herrscht eine verheerende Vieh­seuche, die Brzelose, und wer mit Fellen arbeitet, der wird unweigerlich angesteckt. An Brzelose sterben im Lager sehr viele Menschen, oder sie bleiben ihr Leben lang Krüppel. Ich kann es nicht verantworten, einen Menschen zu solcher Arbeit zu schicken." Ich dolmetschte Grete Sonntag dieses Gespräch, worauf sie mir antwortete: Was für ein Blödsinn, die russischen Schweine stecken sich an, weil sie keine Ahnung von Sauber­keit haben, ich werde schon dafür sorgen, daß ich nicht krank werde. Sage ihm, ich will auf eigene Verantwortung diese Arbeit machen." Ich übersetzte dem Natschalnik begreiflicherweise nur einen Teil dieser Äußerung. Es war erschütternd: auf der einen Seite diese freche An­maßung und auf der andern ein besorgter, herzensguter Mensch, der sich trotz jahrelangem Häftlingsdasein seine Menschlichkeit bewahrt hatte. So kam Grete Sonntag in die ,, Fellbase" so nannte sich das hoch­tönend deren Natschalnik ein Jude aus Weißrußland war, der etwas jiddisch sprach und sich mit ihr verständigen konnte. Als wir in die winzige Baracke eintraten, konnte man vor herumliegenden Fellen kaum treten. Es war eine Unordnung, wie sie wirklich nicht mehr übertroffen werden konnte und dazu ein Gestank, der einem den Atem verschlug. Grete Sonntag sah sich das Durcheinander an, machte eine Reihe bissiger

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