drahtzaun gab. Man erzählte uns, daß man sich bis zu einem halben Kilometer vom Lager entfernen dürfe; versuchte man weiter zu gehen, wurde geschossen.

Erst am zweiten Tage begann die Registrierung, dabei stellte sich heraus, daß eine Reihe von uns in ihren Akten den Vermerk ,, Pod konvoj"( unter Bewachung) hatten, worauf sie in den Strafblock über­führt wurden. Darunter waren Rebekka Sagorje und die junge achtzehn­jährige Polin. Noch an diesem Tage stellte man Transporte zusammen, die in die Unterabschnitte des Rayons Burma gebracht wurden. Eine Reihe russischer Zugänge hatte sich bereits Plätze in den Baracken er­obert, und zum Schluß waren nur noch Grete Sonntag und ich übrig, die beiden Ausländerinnen. Wir gingen vergeblich von Baracke zu Baracke und baten um eine Ecke zum Schlafen.

Neben der Badestube war ein kleiner Raum: der Frisiersalon. Bei dem georgischen Friseur, einem sympathischen jungen Häftling, konnte man sich für 60 Kopeken rasieren oder die Haare schneiden lassen. Nach drei Tagen Aufenthalt in der Badestube waren wir miteinander bekannt geworden, und er fragte uns:, Wollt ihr euch nicht auch die Haare schneiden lassen?" ,, Ja, sehr gern, aber wir haben doch kein Geld." ,, Euch schneide ich sie auch umsonst." Er konnte einen deutschen Satz, den er sehr häufig anwandte, und fand ein Vergnügen daran, sich mit uns zu unterhalten.

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Grete Sonntag und ich litten sehr unter Hunger. Alle unsere Ge­danken drehten sich um Brot. Wir erfuhren, daß es in Burma vier ver­schiedene Küchen, vier verschiedene Lebensmittelzuteilungen gab. Die unterste, die schlechteste, der wir zugeteilt waren, erhielten die Feld­arbeiter und der Strafblock, die zweite die Reparaturwerkstatt und Teile der Büroarbeiter, die dritte die Arbeiter des Transport- und Bau­wesens und die vierte und beste das agro- technische Personal. Die dieser vierten Küche Angeschlossenen wurden halbwegs ausreichend ernährt.

Wir erkundigten uns bei unserem freundlichen Friseur, ob es keine Arbeit für uns gäbe, und wir erfuhren, daß man zum Abladen zwei Frauen brauchte. Auf einem Lastauto mit drei Männern und einem Be­wachungssoldaten fuhren wir zum Bahnhof Sharik. Es ging über Stock und Stein, und wir mußten uns festklammern, um nicht herunter zu fliegen. Am Bahnhof führten uns die Männer zu einem Waggon Stein­kohle und bedeuteten uns, diese abzuladen. Da tat ich etwas, was ich später nicht mehr gewagt hätte, ich verweigerte die Arbeit. ,, Sie können uns wohl nicht zumuten, in unseren Privatkleidern Kohlen abzuladen, außerdem ist das eine Männerarbeit." Merkwürdig war die Wirkung dieser Äußerung auf die Männer. Zuerst lachten sie erstaunt, teilten dem Soldaten mit, was die Ausländerin gesagt habe, forderten uns aber nicht ein zweitesmal auf. Sie selbst rührten jedoch auch keine Schaufel

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